Mein Leben ohne Limits
Geschichten von meinem Vater sah ich nun mit anderen Augen. Jetzt hatte ich die Fratze des Hungers selbst gesehen. Sterbende Mütter, von Kindern umringt, die wegen ihres leeren Magens schreien. Slums mit Blechhütten in der Größe einer Abstellkammer, gedämmt mit Zeitung, ohne fließend Wasser. Ein Gefängnis, in dem die Häftlinge den ganzen Hof füllten. Nach meinem Vortrag dort bekam ich mit, dass viele von ihnen noch nicht einmal eine Verhandlung gehabt hatten. Sie saßen einfach im Gefängnis, weil sie jemandem Geld schuldeten, der Kontakte hatte. Einer von den Insassen war wegen zweihundert Dollar Schulden zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.
Und trotzdem sangen die Häftlinge für uns ein Lied. Es klang erstaunlich fröhlich.
WAS DU AUCH TUST – ES ZÄHLT
Ich war als junger Mann in großer Mission nach Südafrika gekommen. In diesem großen Land wollte ich etwas bewirken. Aber das Gegenteil war der Fall. Südafrika bewirkte etwas in mir.
Wenn du nicht mehr dich selbst, sondern andere ins Zentrum rückst, wird dich das verändern: Du wirst demütig. Du wirst beflügelt. Mehr als irgendwo sonst erlebst du das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein. Und du merkst, dass du tatsächlich etwas bewegen kannst. Wie auch immer du das Leben eines anderen Menschen erleichterst, letzten Endes wirst auch du selbst davon bereichert.
Nach ein paar Tagen in Südafrika hatte ich verstanden, warum John Pingo sich so dafür einsetzte, mit mir, dem Mutmacher Nick, durch sein Land zu fahren. Er war mir um einiges voraus. Ich war noch völlig selbstzentriert und auf mich bedacht. Der arme Junge ohne Arme und Beine konnte sich nicht vorstellen, dass andere Menschen ein schlimmeres Los erwischt hatten als er.
Seit Südafrika gehe ich anders in unsere Supermärkte. Unseren gewaltigen Überfluss an Lebensmitteln können sich die Waisen und Slumbewohner überhaupt nicht vorstellen. Wenn bei mir im Büro die Klimaanlage surrt oder ich ein kühles Getränk gereicht bekomme, denke ich an Südafrika. Was für uns schon fast selbstverständlich ist, ist dort für die meisten Menschen Luxus und Seltenheit.
Aaron ist inzwischen Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften an einer Highschool in Australien. Noch heute redet er darüber, wie uns diese Reise auf den Boden der Tatsachen geholt hat. Manches dort hat uns wirklich traurig gemacht; anderes hat uns beseelt und angeregt. Wir sind uns beide einig: Das war die beste Reise unseres Lebens. Jeder von uns kam mit denselben Fragen nach Hause: Wie kann ich anderen Leuten helfen? Wo kann ich am besten ansetzen? Und wie könnte ich jemals so leben wie vorher, jetzt wo ich weiß, wie manche Menschen leiden müssen?
Man muss nicht erst auf fremde Kontinente reisen, um Menschen in Not zu finden. Südafrika machte uns sogar sensibler für die Armut in unserer eigenen Gegend und unserem eigenen Land. Wenn du Zeit, Geld oder dein Talent teilen willst: Es gibt Kirchenprojekte, Seniorenheime, das Rote Kreuz, die Heilsarmee, Obdachlosenheime, Suppenküchen und vieles mehr in deiner Nähe. Ob du deine Kontakte, deine Muskeln oder deine Finanzen spielen lässt – dein Beitrag ist wichtig.
Diese erste große Reise nach Südafrika gab mir so viel Energie für mein Lebensziel, dass ich frohen Herzens die zwanzigtausend Dollar aus meinen Ersparnissen verschenkte. Wir trieben sogar noch einmal dieselbe Summe auf, während wir dort waren. Tagelang waren wir damit beschäftigt, Geschenke, Nahrung, Bücher, Decken und Betten für die Waisen zu kaufen. Außerdem schenkten wir den Waisenhäusern Fernseher und DVD-Player. Ein halbes Dutzend Hilfsorganisationen versorgte uns mit Geld dafür.
Zwanzigtausend Dollar sind auch heute noch eine große Summe für mich, aber im Rückblick hätte ich gern noch mehr gegeben. Ein paar Menschen das Leben erleichtert zu haben, ließ mich ein Gefühl der Erfüllung spüren, wie ich es noch nie gekannt hatte. Meine Mom war nicht gerade begeistert, als ich mit einem leeren Sparschwein nach Hause zurückkam, aber sie spürte, dass ich innerlich reich geworden war.
WUNDERMASCHINE
Eins der intensivsten und emotionalsten Erlebnisse in Südafrika war in einer Kirche. Hunderte Kranke, Verkrüppelte und Sterbenskranke waren gekommen, um ein Heilungswunder zu erleben. Am Anfang meines Vortrags mache ich ja normalerweise ein paar Scherze über meinen Körper, damit die Zuhörer ihre Scheu überwinden. Aber in dieser Kirche lachte niemand. Die Leute waren nicht gekommen,
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