Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
ihrem Haus verschwand, wieder auftauchte?
Ich kehrte zu Lisa in die Küche zurück.
»Springt sie wieder?«
»Ja.«
»Na, das kann ja dauern.«
»Nein. Sie kommt gleich. Sie ist gestürzt.«
»Gestürzt? Ach du Scheiße! Hat sie sich was getan?«
»Nein, ich glaub nicht, nur ein paar Schürfwunden an den Händen und eventuell eine Prellung an der Hüfte.«
»Meinen Sie nicht, dass Hedwig ein bisschen verrückt ist?«
Ich musterte Lisa, die am Küchentisch saß, die Ellenbogen aufgestützt, mit beiden Händen eine Tasse Kaffee umklammernd, die sie zwischendurch immer wieder zum Mund führte.
»Wer ist nicht verrückt?«
»Ich, ich bin nicht verrückt.«
»Willst du damit sagen, ich sei verrückt?«
Lisa beugte ihren Kopf über die Kaffeetasse. Geschickt - ihre langen blonden Haare verwehrten einen Blick in ihr Gesicht.
Mir war klar, dass sie grinste.
»Lisa?! Antworte!«
Sie hob den Kopf - und lächelte.
»Darüber habe ich mir kein Urteil zu erlauben.« Pause. Ich wollte gerade erwidern, dass ich sie dazu aufgefordert hätte, als sie fortfuhr: »Sie wissen doch: Meine Mama hat gesagt, man soll sich nicht in die Angelegenheiten seiner Arbeitgeber einmischen. Früher oder später bringe das immer Ärger.«
»Aber du hast dich doch schon bei Gregor eingemischt.«
»Das stimmt aber so nicht. Sie haben mich gerufen.« Sie hatte Recht. Ich ließ es auf sich beruhen. Klar war Lisa der Meinung, ich sei nicht ganz richtig im Kopf. Aber interessierte mich das wirklich?
Hedwig unterbrach meine Gedanken.
Sie kam, vom eiligen Gehen schnaufend und mit hochrotem Kopf, zu uns herein. Die linke Mittelhand hatte sie bandagiert, die Finger einzeln umwickelt. In der anderen Hand trug sie eine Verbandrolle.
»Na endlich. Ich dachte schon, wir kämen hier überhaupt nicht mehr weg.« Lisa sah Hedwig vorwurfsvoll an.
Hedwig überhörte den Vorwurf in Lisas Stimme, gab mir die Verbandrolle und wies auf ihre rechte Hand. »Ob Sie mir mal behilflich sein könnten?«
»Reicht nicht ein Pflaster?«, fragte ich. Es war spät und ich wollte längst unterwegs sein. »Nein, tut es nicht.« Hedwigs Stimme signalisierte, dass Widerspruch zwecklos war.
Ich nahm den Verband und umwickelte Hedwigs Hand. »Bitte jeden Finger einzeln.«
»Hedwig, jetzt hör auf, die sind doch gar nicht verletzt.«
»Sind sie doch.«
»Aber man sieht nichts.«
Hedwig sah mich unwillig an und spreizte erwartungsvoll die Finger. Ich begann, jeden Finger einzeln zu verbinden. Je länger ich mit ihr diskutierte, desto länger hielt sie uns auf.
»Fertig. Wir können.« Ich erhob mich und sah Hedwig ins Gesicht.
Ein Speichelfaden hing an ihrem Kinn. »Danke.«
Lisa und ich sahen uns erleichtert an. Endlich konnten wir in die Autos steigen.
»Sie haben Speichel am Kinn.«
»Lisa, darüber redet man nicht. Das ignoriert man.« Hedwig musterte Lisa strafend durch ihre rosarote Brille, während sie ein Taschentuch aus dem Wandschrank nahm und sich damit das Kinn abrieb.
»Wollen Sie damit sagen, ich soll Sie mit der Spucke durch die Gegend laufen lassen?«
»Ja, gewiss doch. Es stört doch niemanden und mir ersparst du eine Blamage.«
»Ach so. Wenn Sie meinen.«
Lisa drehte sich zu mir und zuckte mit den Achseln, während sie den Mittelfinger in Hedwigs Richtung ausstreckte. Das hieß so viel wie »Fick dich ins Knie«. Ein Spruch, der in meiner Gegenwart strikt verboten war. Ich rollte mit den Augen und drohte mit dem Zeigefinger zurück.
Um Viertel vor sechs kamen wir endlich los. Lisa saß allein mit Gregor in dem klapprigen Opel, und während der ganzen Hin- und später auch Rückfahrt musste ich darauf achten, dass ich sie mit ihrem lahmen Auto nicht verlor. Hedwig saß angeschnallt neben mir und freute sich, weil sie endlich einmal in einer Luxuslimousine fahren durfte. Das hatte sie sich gewünscht, seitdem mein Mann den Wagen vor zwei Jahren gekauft hatte, wie sie mir, kaum dass wir unsere Auffahrt verlassen hatten, kichernd gestand. Tja, und nun war es so weit.
Tiefrote Flecken überzogen Hedwigs Wangen, als sie in das Auto stieg. Sie war aufgeregt und mir schwante, dass sie wegen des A8 und nicht wegen der Toten eine Runde springen gegangen war.
Ihre Aufregung verhinderte dennoch nicht, dass sie innerhalb von Minuten einschlief und erst kurz vor Jena wieder aufwachte.
Ich hatte entschieden, dass wir die Leichen nach Bremsnitz schafften. Das kleine Dorf in Thüringen hatte ich letztes Jahr gemeinsam mit Martin entdeckt, als wir in
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