Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
Jahre her sein, hatte ich ihr die knallgelbe Jacke einschließlich der roten Gummistiefel geschenkt, damit man die Frau bei Regen wahrnahm. Als ich ihr die in Geschenkpapier eingewickelten Regensachen damals überreicht hatte, packte sie sie erwartungsvoll aus, doch beim Anblick der leuchtenden Farben kniff sie den Mund unangenehm überrascht zu einem Strich zusammen. Sie hatte erwartet, ich hätte ihr etwas in ihrer Lieblingsfarbe Dunkelblau gekauft.
Ich klärte sie damals über die Wirkung von Signalfarben auf und unwillig gewöhnte sie sich mit der Zeit daran, in ihre gelbe Jacke zu schlüpfen, wenn sie der Regen bei einem ihrer Ausflüge überraschte. Immerhin überzeugte sie das leuchtende Gelb schließlich derart, dass sie sich eine gelbe Fischerhose kaufte, um ihr Regenoutfit zu komplettieren. Lediglich in der Größe hatte sie ziemlich daneben gegriffen, war aber zu stolz, die Hose umzutauschen.
An diesem Tag nun hatte sich Hedwig mit ihren bandagierten Händen ziemlich gequält, um sich ihr Regenzeug überzuziehen, meine Hilfe jedoch kategorisch abgelehnt. Typischer Fall von falschem Stolz. Lediglich beim Befestigen der Hosenträger durfte ich ihr behilflich sein.
Hedwig hing in der Männerhose wie ein Schluck Wasser. Das muss mal gesagt werden, auch wenn sie es nicht gern hört. Die Fischerhose war eindeutig für einen Bierbauch ausgelegt und ergoss sich in groben Wellen vom Brustlatz bis zum Oberschenkelansatz. Die Hosenbeine waren mindestens zwanzig Zentimeter zu lang, trafen auf den Stiefeln auf und bauschten sich in gleichfalls voluminösen Gummiwellen bis zum Knie.
Nach einer Weile begann der Dauerregen sich in den zahllosen Ausbuchtungen zu fangen und Pfützen zu bilden, die bei jeder Bewegung eine Ladung Wasser entleerten, egal, wohin. Leider auch auf meinen Nacken, als ich mich in den Kofferraum von Lisas Opel bückte, um nach Gregors Beinen zu greifen, und Hedwig dabei zu nahe kam. Ich richtete mich erschrocken und kreischend auf und prompt stürzte ein Teil des Wasserschwalls meinen Rücken hinunter und stoppte erst am festsitzenden Rand meiner knallengen Jeans, wo sich das kalte Nass gemächlich verteilte. Erfreulich war das nicht. Aber was war an diesem Morgen schon erfreulich?
Die Aufräumaktion dauerte nicht sehr lange, vielleicht eine gute halbe Stunde. Während Hedwig am Auto auf uns wartete, schleppten und zogen Lisa und ich die Leichen, erst die eine, dann die andere, gemeinsam ein Stück tiefer in den Wald hinein, wobei sich Meinhards linkes Hosenbein in einer aufragenden Wurzel verfing. Überrascht von dem abrupten Stopp, stolperte Lisa, riss und schüttelte dann wie eine Geistesgestörte an dem übergewichtigen Menschen herum, so dass das Hosenbein bis zur Hüfte aufriss. Ich hatte Meinhards Achselhöhle losgelassen, als ich bemerkte, dass wir mit einem Hindernis kämpften, und schaute verblüfft zu, wie Lisa sich quälte und fast ausrastete. Ihre blonden Haare klebten in nassen Strähnen an Kopf und Schultern und der Regen rann an ihrer Hose entlang in die für dieses Wetter ungeeigneten Turnschuhe. Sie schien von all dem nichts wahrzunehmen. Entschlossen zerrte sie an dem schwergewichtigen Mann, bis sie ihn befreit hatte.
»Sie hätten mir ruhig helfen können«, meckerte sie in meine Richtung, nachdem wir Meinhard wieder ergriffen hatten und tiefer in das Waldstück hineinschleiften.
»Lisa, was soll das? Ich werde mich nicht einmischen, wenn du kurz davor stehst durchzudrehen«, keuchte ich und blickte auf, während mir der Regen in die Augen rann und das Makeup demolierte. Auch Lisas Make-up ließ zu wünschen übrig. Die Mascara schmierte in schwarzen Flecken um die Augen und von ihren einst violett geschminkten Lippen zeugte nur noch der dunkle Konturenstift, der den nunmehr blassen Mund monsterförmig rahmte.
»Ich bin doch gar nicht durchgedreht.«
»Hat aber nicht viel gefehlt. Ich dachte, du reißt dem Mann das Bein ab.«
»Na, wenn ich es allein auch nicht schaffe?«
»Dann hättest du eben etwas sagen müssen. Aber du hast an dem rumgezerrt wie eine Furie.«
»Und deshalb brauchen Sie mir nicht zu helfen und gucken einfach nur zu, wie ich mich abquäle? Ist ja toll.«
»Jetzt krieg dich wieder ein. Es tut mir Leid«, trat ich den Rückzug an. Es hätte gerade noch gefehlt, dass sie sich beleidigt ins Auto gesetzt und jede weitere Hilfe verwehrt hätte. Lisa schwieg zu meiner Entschuldigung und gemeinsam legten wir Meinhard unter einem Laubbaum ab.
Der
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