Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
Transport von Gregors Leiche gestaltete sich wesentlich einfacher. Allerdings sah der einst stattliche Endzwanziger danach aus wie ein Schwein, das sich wollüstig im Morast gewälzt hatte. T-Shirt und Unterhose waren wie Meinhards Edelanzug verschlammt, allerdings zierten Gregors nackte Beine zusätzlich zu dem Dreck ein paar unappetitliche Abschürfungen von dem wild wuchernden Wurzelwerk.
Wir warfen Gregors Oberkörper kurzerhand über Meinhards Brustkorb, so dass dessen malträtiertes Gesicht neben Gregors Hinterkopf nurmehr im Profil hervorlugte. Meinhards gebrochener Ellenbogen ragte in einem verqueren Winkel vom Körper ab, aber auch das ignorierten wir. Allerdings besaßen wir so viel Pietät, die Köpfe mit Gregors Jeans und Sweater zu bedecken.
Hedwig war uns beim Transport von Gregors Leiche gefolgt und beobachtete uns, die bandagierten Hände in den Taschen ihrer Gummihose vergraben, die Schultern hochgezogen.
»Das ist ja ein echtes Schweinewetter«, klagte Lisa mit einem Blick auf die schnell durchweichenden Kleidungsstücke zu unseren Füßen.
»Aber es hat den Vorteil, dass das Viehzeug zu Hause bleibt und die beiden nicht so schnell anfrisst«, erwiderte ich ungeduldig, da ich zurück ins Auto wollte.
»Aber stell dir mal vor, was sich hier an Maden und Ähnlichem entwickelt, wenn die Sonne morgen wieder scheint. Die hohe Luftfeuchtigkeit und die Wärme - ein Paradies für Maden und Fliegen.« Hedwig sah mich an. Der Regen perlte von ihrer Brille und lief über Nasenrücken und Wangen bis hin zur Oberlippe, wo sie die Tropfen mit flinker Zunge auffing.
»Also, ich finde«, warf Lisa ein, »wir rufen spätestens übermorgen die Polizei an und sagen, dass hier Leichen liegen.«
»Sticht dich der Hafer?« Hedwig zeigte Lisa einen Vogel, was vielleicht nicht ganz zu ihrem Alter, durchaus jedoch zur Situation passte.
»Wieso denn? Das machen wir natürlich anonym. Die zwei müssen ja noch halbwegs unversehrt sein. Schließlich sollen die eine Obduktion hinkriegen und sehen, dass die beiden eigentlich von Natur aus gestorben sind.«
Lisa sprach aus, was ich auf der Herfahrt gedacht hatte. »Aber das geht doch nicht, Lisa, die können doch herausbekommen, woher der Anruf kommt.« Hedwig schüttelte verwundert den Kopf.
»Hedwig! Wir haben hier zwei Autos«, sagte Lisa. »Und spätestens Sonntag, wenn nichts über die Leichen in der Zeitung steht, fährt einer von uns« - ich winkte ab - »na gut, also ich«, fuhr Lisa fort,‘ »wieder in die Nähe von diesem Kaff, am besten nach Jena, und telefoniert von einer öffentlichen Telefonzelle aus.«
»Sehe ich auch so.« Ich wollte die Diskussion beenden und ins Auto zurück. »Und jetzt lasst uns endlich zusehen, dass wir hier wegkommen. Ich hab es ein bisschen eilig.« Lisa nickte. Hedwig sah mich vorwurfsvoll an. »Wir gehen hier nicht weg, ohne ein Gebet zu sprechen.«
»Mein Gott, Hedwig! Jetzt hör mit diesen Albernheiten auf.
Wozu soll das denn noch gut sein?«
»Das ist zur Vorsicht, damit die Toten auch ganz bestimmt ihre Ruhe finden.«
»Die ruhen doch längst.«
»Aber niemand hat ihnen die letzte Ehre erwiesen und sie der Güte Gottes anempfohlen.«
Bevor Lisa einen ihrer blöden Sprüche ablassen konnte, schnappte ich mir ihren Arm und drückte zu.
»Okay, Hedwig, sprich das Gebet. Je eher wir es hinter uns bringen, desto eher kommen wir hier weg«, sagte ich an Lisa gewandt.
Hedwig legte die Hände vor der glitschig nassen Gummihose zusammen und sprach mit ihrer Altstimme ein Gebet, dem Lisa und ich stumm lauschten, während der Regen weiter auf uns niederging.
Kaum hatte Hedwig die Laienandacht beendet und wir den Toten unisono ein letztes »Amen« hinterhergeschickt, rannten Lisa und ich zu den Autos zurück und krochen hinein. Hedwig trödelte hinkend hinter uns her. Die alte Dame musste aufpassen, nicht über das Wurzelwerk zu stolpern. Ungeduldig wartete ich auf sie.
Als sie endlich erschien, stieg sie nicht ein, sondern machte sich am Kofferraum zu schaffen und entnahm ihm eine Harke, die sie von uns unbemerkt hineingeschmuggelt hatte. Sie bedeutete mir, das Seitenfenster herunterzufahren und erklärte, wir sollten vorfahren, sie würde jetzt erst einmal unsere Fußspuren und Reifenabdrücke beseitigen. Ich wollte widersprechen, doch sie winkte ab, drehte sich um und eilte ungelenk, die ersten drei Meter jedoch schneller, als sie gekommen war, in den Wald zurück, die Harke hinter sich herziehend. An einer überirdisch
Weitere Kostenlose Bücher