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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind
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warten.«

    »Aber es macht uns wirklich nichts aus«, insistierte Kristina Nötzelmann. »Ich koche Ihnen gerne einen Tee. Sie frieren doch.« Sie strich mir zärtlich über meinen nackten Oberarm.

    Ich zuckte zurück. Nicht im Traum würde ich mit nach oben zu ihr in die Wohnung gehen, in die Fänge des Reporters. »Nein, nein, ich möchte Ihnen wirklich keine Umstände bereiten«, sagte ich.

    In diesem Moment klingelte es unten an der Tür. Der Schlüsseldienst hatte keine zehn Minuten gebraucht.

    »Ich geh schon!«, rief Kristina Nötzelmann, lief die Treppe hinunter, um dem Monteur die Haustür zu öffnen. Der würde sicher angenehm überrascht sein von der kleinen Fee, die ihn im zarten Hemdchen empfing. Schade, dass ich seinen Blick nicht sehen konnte. Ich heftete meine Augen demonstrativ auf den Fußboden, um dem Schlaks keine Gelegenheit zu geben, mir ein Gespräch aufzuzwingen. Zum Glück kam die Nötzelfrau mit dem Monteur im Schlepptau keine Minute später schon wieder die Treppe hoch.

    »Morgen«, knurrte der Monteur. Ein bulliger Mann mit dem Gesicht eines alten Weibes. Hängebäckchen, langes, zotteliges Haar, runtergezogene Mundwinkel. Sein Atem roch faulig, verriet, dass der Mann aus dem Bett gestürzt und sich nicht die Zeit genommen hatte, die Zähne zu putzen. Er trug einen gewaltig aussehenden Werkzeugkoffer, aus dem er eine Art Hebel herausholte. Bevor sich der Mann ans Werk machte, stellte er sich mit dem Rücken so zu uns, dass wir nicht genau sehen konnten, wie er es anstellte, die Tür zu öffnen. Nur Sekunden später schnappte das Schloss auf.

    »So«, brummte er. »Das war’s.«

    »Vielen Dank«, sagte ich erleichtert, aber auch ein wenig erschrocken darüber, wie einfach es war, eine Wohnungstür aufzubrechen. »Was bekommen Sie?«

    »Sechshundertfünfzig Euro«, knurrte der Monteur.

    Hatte ich mich verhört? »Sechshundertfünfzig Euro?«, wiederholte ich ungläubig.

    Die Nötzelmann und der Zeitungsschlaks, die schon auf dem Weg zurück in ihre Wohnung waren, blieben auf halber Treppe stehen.

    »Ja, macht sechshundertfünfzig Euro«, wiederholte der Mann und baute sich vor mir auf. »Schließlich ist es mitten in der Nacht. Natürlich können Sie mit EC-Karte bezahlen.« Er grinste.

    »Das ist entschieden zu viel!«, entgegnete ich.

    »Das ist Ihre Meinung«, gab der Monteur ungerührt zurück. »Wer mitten in der Nacht den Schlüsseldienst holt, muss halt dafür zahlen. Und wenn Sie nicht zahlen wollen, rufe ich die Polizei. So einfach ist das.« Er hatte den Hebel längst wieder eingepackt, verschränkte die Arme vor seiner massigen Brust und sah mich provozierend an.

    Ich war sprachlos.

    »Moment«, hörte ich plötzlich die Stimme des Schlakses.

    Der Monteur drehte sich verwundert zu ihm um.

    »Ich glaube, ich sollte mich mal vorstellen. Mein Name ist Sebastian Schellenberger. Ich bin Reporter beim Berliner Express . Wir rufen gern die Polizei. Dann kann Frau Rabe nämlich gleich Anzeige gegen Sie erstatten wegen Wuchers. Und ich kann über den Fall berichten. Keine gute Werbung für Sie. So einfach ist das.«

    Der Monteur wurde bleich. »Äh, äh«, stotterte er. »Also, äh, Ich kann Ihnen ja, äh, gerne entgegenkommen. Äh, geben Sie mir ’n Hunni und die Sache ist erledigt.«

    Ich nickte und verschwand in meiner Wohnung, um meine Geldbörse zu holen. Hundert Euro für einen Mann, der mir seine Nachtruhe geopfert hatte, schien mir ein durchaus fairer Preis.

    Der Schlaks und die Nötzelfrau warteten im Treppenhaus, bis ich zurück war.

    »Sie müssen mich auch verstehen«, warb der Handwerker kleinlaut um Verständnis für seinen Versuch, mich übers Ohr zu hauen. »Ich war siebenunddreißig Jahre lang als Schlosser in einer Firma beschäftigt, bei der ich auch gelernt habe. Aber dann ging das Unternehmen pleite und ich wurde arbeitslos. Nun muss ich mich als Selbstständiger über Wasser halten, indem ich Tag und Nacht rausfahre, um den Leuten die Türen zu öffnen.«

    Den Reporter rührte das nicht. »Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, solche Wucherpreise zu verlangen und die Notlage dieser armen, wehrlosen Frau auszunutzen«, hörte ich ihn sagen, während ich das Portemonnaie aus meiner Handtasche kramte. Ich war also eine ›arme Frau‹.

    Der Monteur blieb nun still.
    Wortlos drückte ich ihm zwei Fünfziger in die Hand. Er verabschiedete sich mit einem stummen Nicken, sah mir nicht in die Augen, huschte wie ein getretener Hund die Treppe

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