Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind
Vom Netzwerk:
geringste Ahnung, dass Tobias dafür verantwortlich war. Denn so sehr Holger auch litt, nie verriet er seinen großen Bruder.« Kunzes Zigarette war bis zur Hälfte verglimmt, die Asche krümmte sich, fiel aber nicht hinunter. »Um Holgers Einsamkeit zu lindern, schenkten seine Eltern ihm eines Tages zum Geburtstag einen Schäferhundwelpen. Holger nannte seinen Hund Harras, das Tier wurde sein bester Freund. Wenn Holger aus der Schule kam, lief Harras ihm schwanzwedelnd entgegen, sprang an ihm hoch. Harras wich nicht von Holgers Seite. Saß bei den Schularbeiten neben ihm, streifte mit ihm anschließend über die Wiesen. Holger hielt seinen Hund nie an der Leine, denn er gehorchte ihm aufs Wort. Holgers Eltern waren froh, als ihr Sohn aufblühte. Nur Tobias konnte nicht mit ansehen, dass es seinem Bruder gut ging. Nicht mal einen tierischen Freund gönnte er ihm. Harras hielt sich fern von Tobias, das Tier schien zu spüren, dass ihm nicht zu trauen war. Tobias machte das fuchsteufelswild.« KK erstickte die Glut seiner Zigarette im Aschenbecher und zündete sich die nächste Kippe an.

    »Eines Nachmittags folgten wir Holger und Harras unauffällig. Holger streunte mit seinem Hund durch die Kornfelder. Harras, der ja noch nicht ausgewachsen war, sprang alle paar Meter in die Höhe, um etwas sehen zu können. Ein lustiges Bild. Natürlich war es uns Kindern streng verboten, durch die Felder zu laufen. Aber wer tat das nicht?«

    KK trank und goss sich das nächste Glas Tequila ein. Die Flasche war nun fast leer.

    »Tobias und ich hielten so viel Abstand, dass uns die beiden nicht bemerkten«, erzählte er weiter. »In weitem Bogen fuhren wir mit unseren Fahrrädern um das Feld herum. Dann warfen wir die Räder ins Gras und duckten uns. Als Holger mit Harras aus dem Feld kam, standen wir auf. Holger erschrak. Ich weiß noch, was für ein erhabenes Gefühl das war. Holger war klein. Wir waren groß. Und wir hatten ihn erwischt. Heute schäme ich mich. Aber damals …« KK trank den Tequila wie Wasser. Doch obwohl er nun schon ein paar Gläser gekippt hatte, merkte man ihn nicht an, dass er Alkohol intus hatte. Aber als Wirt war er wahrscheinlich ein geübter Trinker.

    »›Was fällt dir ein, durch das Feld zu laufen?!‹, brüllte Tobias seinen Bruder an. Holger stand da, starr vor Schreck. Harras knurrte. Aber er fletschte die Zähne nicht, er war ein gutmütiges Kerlchen. Tobias warf den Rucksack, den er über der Schulter getragen hatte, zu Boden und öffnete ihn. Er holte Maulkorb und Leine hervor, warf Holger das Geschirr vor die Füße. ›Los, leg ihm das um‹, herrschte er seinen Bruder an. Holger zitterte. Doch er tat, was Tobias ihm befohlen hatte. Widerstandslos ließ sich Harras von Holger Maulkorb und Leine umlegen. Kaum dass der Hund gefesselt und geknebelt war, riss Tobias Holger die Leine aus der Hand, zerrte Harras in Richtung eines Baumes. Harras sträubte sich, stellte sich auf die Hinterbeine. Aber Tobias war stärker, Harras war ja noch ein Welpe. Tobias band den Hund am Baum fest, ging zurück zu seinem Rucksack und holte nun einen Knüppel heraus. Harras winselte. Holger schrie: ›Nein, nein!‹ Tobias fuhr herum, funkelte seinen Bruder an und hob drohend den Prügel. ›Der Hund muss bestraft werden. Und wenn du nicht ruhig bist, kriegst du auch was‹, zischte er. Holger liefen die Tränen übers Gesicht. Die ganze Zeit stand ich dabei und rührte mich nicht. Mir war mulmig zumute. Wir hatten abgemacht, Holger nur ein bisschen zu erschrecken. Das hier ging mir entschieden zu weit. Holger stürzte sich auf Tobias, umklammerte seinen Arm mit beiden Händen. ›Nein, nein, du darfst Harras nichts tun. Bitte, bitte. Wir gehen nie wieder durchs Feld‹, heulte er. Harras bellte. Tobias löste sich aus der Umklammerung, schubste seinen Bruder zu Boden. Harras kauerte wehrlos am Boden, hatte die Ohren angelegt, winselte. Nie werde ich den Blick des Hundes vergessen. Tobias holte aus. Das war der Moment, in dem ich wach wurde. Ich schrie und stürzte auf ihn zu, hielt seinen Arm fest. Doch seine entfesselte Wut verlieh Tobias eine Kraft, gegen die ich keine Chance hatte. Er schüttelte mich ab und ich ging zu Boden. Ehe ich mich aufrappeln konnte, drosch Tobias auf Harras ein. Einmal. Zweimal. Harras jaulte. Holger hängte sich an Tobias’ Arm und biss zu. Ich sprang ihn von hinten an, schlang meine Arme um seinen Hals und drückte ihn nach hinten. Tobias wehrte sich, sodass wir alle drei zu

Weitere Kostenlose Bücher