Mein Mann der Moerder
Boden gingen. Im Gerangel bekam ich den Knüppel zu fassen und riss ihn Tobias aus der Hand. Er kam wieder auf die Beine. Doch nun, nachdem ich ihm den Knüppel entwunden hatte, hatte er keine Chance mehr gegen mich. Wortlos, mit feuerrotem Gesicht, nahm Tobias sein Fahrrad, stieg auf und trat in die Pedale. Noch heute sehe ich vor mir, wie das Rad unter ihm im Sand wegrutschte, sodass er absteigen und die ersten Meter schieben musste. Er drehte sich noch einmal zu uns um. ›Das wirst du mir büßen‹, drohte er Holger. Dann machte er sich davon. Ein paar Wochen später war Harras tot. Er starb nicht an den Schlägen, die hatten ihn nicht mal ernsthaft verletzt. Tobias hatte ihn vergiftet. Davon war Holger überzeugt, denn er fand in Tobias’ Schreibtisch Rattengift. ›Tobias wird mich nie in Ruhe lassen‹, weinte Holger, als er mir vom Tod seines Hundes erzählte. Ich wusste damals keine rechte Antwort, versuchte Holger zu trösten, indem ich ihm anbot, mir Tobias vorzuknöpfen. Doch Holger schüttelte nur den Kopf. Ein paar Tage später erhängte er sich im Wald. Wenige Stunden vor seinem Tod hatte er einen Brief für seine Eltern aufgegeben. Postlagernd – damit Tobias ihn nicht in die Finger kriegte. Als Elena Rabe die Sendung nach Holgers Beerdigung abholte, fand sie in dem Umschlag nicht nur Holgers Abschiedsbrief, in dem er beschrieb, wie Tobias ihn all die Jahre gequält hatte, sondern auch die Tüte mit dem Rattengift.
Seine Eltern schickten Tobias aufs Internat. Er glänzte fortan mit besten Noten, wohl, damit seine Eltern ihm verziehen. Er gewann sogar überregionale Mathematik-Wettbewerbe. Doch seine Eltern wollten Tobias nicht mal mehr in den Ferien sehen. Im Dorf erzählten sie, ihr Sohn brauche nach dem Selbstmord seines Bruders Abstand. Gerd Rabe hat mir die Wahrheit mal im Suff erzählt. Er kam nie über den Selbstmord seines jüngsten Sohnes hinweg, fing an zu trinken und starb früh. Und auch Elena wollte nichts mehr mit Tobias zu tun haben. Selbst als sie schwer krank wurde, ließ sie sich nicht erweichen. Obwohl Tobias wohl immer mal wieder einen Anlauf gemacht hat, sich mit seiner Mutter zu versöhnen.«
In der Gaststube war es dunkel geworden. Und still. Das blassgelbe T-Shirt verriet, dass sich KKs Brustkorb unregelmäßig hob und senkte. Er weinte. Lautlos.
»Ich hätte gleich, nachdem Tobias den Hund geschlagen hatte, zu seinen Eltern gehen sollen«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme.
Ich ging um den Tresen herum. Schlang meine Arme um seinen Hals. KK war nur ein paar Zentimeter größer als ich. Erst jetzt merkte ich, wie angenehm es ist, einen Mann zu umarmen, der in etwa gleich groß ist. Man fühlt sich nicht so klein. KK drehte sich zu mir, drückte mich an sich. Ich schmiegte mich an ihn, roch sein Rasierwasser. Wir standen eine Ewigkeit so da. Wir litten an der gleichen Wunde, hatten uns in demselben Menschen getäuscht.
Irgendwann küsste ich KK. Erst auf die Wange, schmeckte seine salzigen Tränen. KK zog mich dichter zu sich heran. Küsste mich zurück. Zaghaft. Plötzlich fuhren seine Hände unter mein T-Shirt. Er hielt einen Moment inne, wartete, ob ich protestieren würde. Dann erst öffnete er meinen BH. Just in diesem Moment drückte erneut jemand die Klinke hinunter und bollerte, als die sich nicht öffnen ließ, mit der Faust an die Tür. Wortlos nahm mich KK an die Hand und führte mich die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer.
Wir rissen uns die Kleider vom Leib, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Wir sanken auf die Matratze. Unter uns gluckste das Wasser. Doch das Wasser schwabbelte zu sehr. Kein Fundament für guten Sex. Sex auf dem Wasserbett, das lernte ich in diesem Moment, ist ein Mythos. Wir zogen um auf den Fußboden. KK zog die geschmacklose Webpelzdecke mit Leopardenmuster vom Bett, breitete sie unter uns auf dem harten Parkettboden aus.
Dann fielen wir, anders kann man es kaum ausdrücken, übereinander her. Und ich schrie. Schrie so laut vor Lust, wie ich es noch nie beim Sex getan hatte.
Bei KK konnte ich mich gehen lassen. Gehörte mir, meiner Leidenschaft. Und ihm. Zwischen uns gab es nichts. Die Lust katapultierte mich in eine andere Welt. Er war der Mann, den ich hätte heiraten sollen. Das schwante mir, als ich aufwachte. Aber diese Nähe, das Tor, das er in meiner Seele aufgestoßen hatte, flößte mir Angst ein. Deshalb musste ich fliehen.
Ich raste auf der Autobahn 24 Richtung Berlin, als plötzlich mein
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