Mein Mann der Moerder
geraden Weg abgekommen war. Seine alte Freundin Sarah führte jetzt ein feines Leben. Betreute beim Berliner Express das Feuilleton.
Zugegeben, der Express war zwar nicht gerade die FAZ. Aber dafür ging Sarah fast jeden Abend ins Theater, interviewte Schriftsteller – wenn sie ihnen wohl aus Platzgründen auch nie mehr als drei Fragen stellen durfte – und berichtete über die wichtigsten Kunstausstellungen der Stadt. Las sich ganz ordentlich, was sie so schrieb, fand Walter. Bis auf den Mist, den sie sich in der Samstagsausgabe zusammengeschmiert hatte.
Dass ausgerechnet er laut Geschäftsverteilungsplan für das Todesermittlungsverfahren Greiner zuständig war, konnte man wohl ohne Übertreibung als Ironie des Schicksals bezeichnen.
Walter wusste nur zu genau, was dabei herauskam, wenn Polizeibeamte gegen ihre Kollegen ermittelten. Sein Vater hatte immer darüber geklagt, was passierte, wenn Polizisten zulangten. »Da deckt einer den anderen. Und das wollen Polizisten sein.«
Sein Vater war ein aufrechter Polizist gewesen. Und daran zerbrochen. Eines Tages – nach schlaflosen Nächten und endlosen Diskussionen mit der Mutter – hatte er sich dazu durchgerungen, einen gewalttätigen Kollegen anzuzeigen. Am nächsten Tag fand er eine tote Ratte in seiner Hauspost. Die Kollegen schnitten ihn. Das Verfahren gegen den Schläger wurde eingestellt; er prügelte munter weiter. Aus Gram hatte sein Vater angefangen zu trinken, war zwangspensioniert worden und früh gestorben.
Der Tipp, Greiner würde mit Drogen dealen und Handgranaten in seiner Wohnung verstecken, stammte von einem Nachbarn, der mit Greiner seit Jahren im Clinch lag. Ohne diese Anschuldigungen zu prüfen, also Greiner beispielsweise zu observieren, um ihn vielleicht in flagranti beim Dealen zu erwischen, hatte die Polizei seine Wohnung gestürmt. Greiner, der die Polizisten für Einbrecher hielt, hatte seine Gaspistole gezückt und war von einem SEK-Beamten erschossen worden.
Später hatten die Beamten in seiner Wohnung genau zehn Gramm Haschisch gefunden – versteckt in einer Streichholzschachtel. Eine so geringe Menge, dass das Verfahren gegen ihn – zumindest in Berlin – wahrscheinlich eingestellt worden wäre. Von Handgranaten oder anderen Waffen gab es in Greiners Wohnung, abgesehen von der Gaspistole, nicht die geringste Spur.
Aber strafrechtlich, so hatte Behördenleiter Dr. Möller Walter belehrt, könne man den SEK-Beamten nicht belangen. Der Behördenleiter hatte den zuständigen Staatsanwalt extra zu sich zitiert, um ihn daran zu erinnern, dass der SEK-Beamte ja irrtümlich angenommen habe, Greiner würde ihn erschießen. Er war also davon ausgegangen, in Notwehr zu handeln.
Als wenn ein gestandener Staatsanwalt wie er diesen Hinweis nötig gehabt hatte. ›Erlaubnistatbestandsirrtum‹ nannte man die verzwickte Situation, in die der SEK-Beamte geraten war – Stoff für die Hausarbeiten des zweiten Semesters. Erlaubnistatbestands irrsinn , hatte Sarah, die die juristische Sprache gerne verhohnepipelte, damals gespottet.
Der SEK-Beamte konnte tatsächlich nichts dafür, war vielleicht sogar geschockt, dass er einen Menschen erschossen hatte. Verantwortlich waren die Einsatzleiter, die den Schützen und seine Kollegen in Greiners Wohnung geschickt hatten. Diese Stümper hatten versäumt, die Anschuldigungen vorab zu prüfen, und deshalb den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit außer Acht gelassen. Schließlich sollte der Verdacht, Greiner habe Drogen und Waffen in seiner Wohnung, erst mithilfe der Durchsuchung geklärt werden. Deshalb hätte es völlig ausgereicht, die Wohnung in Greiners Abwesenheit zu kontrollieren. Das wäre auch das mildeste und ungefährlichste Mittel gewesen. Kein Zweifel, die Polizei hatte bei der Planung des Einsatzes ganz klar ihre ›Amtspflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung‹ verletzt.
Kommentare über Kommentare hatte Ludwig K. Walter gewälzt, um zu klären, ob und wie er die Einsatzleiter zur Verantwortung ziehen konnte. Davon hatte sein Behördenleiter, der Walters kritisches Verhältnis zur Polizei kannte, natürlich Wind bekommen und ihn zurückgepfiffen. Anders als Richter waren Staatsanwälte ja weisungsgebunden.
Walter hatte seinen Chef schon verstanden. Die Sache sollte beerdigt werden. Und er sollte sich eine juristisch plausibel klingende Begründung einfallen lassen. Die Staatsanwaltschaft legte sich nun mal nicht so gerne mit der Polizei an. Schließlich war sie auf die
Weitere Kostenlose Bücher