Mein Mann der Moerder
lange ich wohl weg gewesen war? Sieben Tage oder acht? Ich wusste es nicht. Ich hatte alles verloren: meinen Mann, meinen Job, mein Zeitgefühl.
Die Luft in meiner Wohnung war stickig. Ich öffnete die Fenster. Zum Glück speicherte meine einzige Pflanze, der Elefantenbaum, der im Wohnzimmer stand, Wasser in seinem bauchigen Stamm, und so hatte er mich nicht vermisst. Ich ließ mich aufs Sofa fallen und rief meine Kurznachrichten ab. Sie waren alle von KK. Warum läufst du weg? , fragte er mich in seiner zweiten SMS. Hast du Angst?, in der dritten. Warum meldest du dich nicht auf dem Handy?, in der vierten. Und in der letzten SMS stand: Ich liebe DICH.
Ich schmunzelte, konnte nicht leugnen, dass mir seine Worte schmeichelten. Doch ich durfte mich nicht von meinem Plan abbringen lassen. Auf der Autobahn war es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich musste Tobias doch gar nicht suchen. Ich würde einfach warten, bis er zu mir kam. Er war hier eingedrungen, als ich auf Wohnungssuche gewesen war, um sich den Schmuck zurückzuholen, den er mir geschenkt hatte. Er war nachts durchs Treppenhaus geschlichen, wahrscheinlich, um mich im Schlaf zu überfallen. Tobias würde es wieder versuchen. Aber diesmal würde ich ihn erwarten.
Ich holte mein Laptop aus dem Rollkoffer. Drei Dinge brauchte ich, um meinen Mann ins Jenseits zu befördern. Drei Dinge für einen Mord. Alle waren gleich wichtig.
Das erste Mordwerkzeug lag bereits im Kofferraum meines Autos. Ich hatte es noch am Beetzsee besorgt, kurz nachdem mein Entschluss gefallen war, Tobias umzubringen. Das zweite Utensil stand in unserem Keller. Ein Relikt glücklicher Tage, das mir jetzt sehr nützlich sein würde. Heute Abend, wenn ich sicher sein konnte, niemandem mehr im Treppenhaus zu begegnen, würde ich es heraufholen. Fehlte nur noch ein Teil, das ich im Internet bestellen musste.
Ich surfte eine Weile im Netz, bis ich fand, wonach ich suchte. Mit einem Mausklick beförderte ich das Zubehör in meinen virtuellen Warenkorb. Ich klickte mich zur Kasse durch, tippte ein, dass ich per Nachnahme zahlen würde. Kurz darauf erhielt ich eine E-Mail mit der Nachricht, dass die Ware noch heute das Lager verlassen würde.
Ich war dem Ziel, meinen Mann um die Ecke zu bringen, einen entscheidenden Schritt näher gekommen.
*
Staatsanwalt Ludwig K. Walter saß in seinem Dienstzimmer am Schreibtisch und blickte aus dem Fenster. Draußen regnete es, das erste Mal seit Wochen.
Walter seufzte. Warum war er bloß Staatsanwalt geworden? Hatte sich durchs Jurastudium gequält, nächtelang gepaukt, war von Repetitor zu Repetitor gelaufen. Als Kind hatte er Polizist werden wollen wie sein Vater. Wie hatte er als kleiner Junge seinen Papa in Uniform bewundert. Wie oft hatte der ihm, statt irgendwelcher Märchen, von wilden Verfolgungsfahrten mit dem Streifenwagen erzählt. Doch als er älter geworden war und tatsächlich zur Polizei wollte, hatte sein Vater ihn gewarnt. »Als Polizist macht du nur die Drecksarbeit, Ludwig Karl.« Sein Vater pflegte ihn grundsätzlich bei vollem Namen zu nennen. »Studier lieber Jura und werde Staatsanwalt.«
Also hatte Ludwig K. Walter sich ins Studium gekniet, war nach dem Referendariat wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni gewesen, bevor er Staatsanwalt geworden war. Und nun musste er sich von seinem Behördenleiter Dr. Möller einen Vortrag über die einfachsten Grundbegriffe des Rechts gefallen lassen. Hätte nur noch gefehlt, dass Möller ihm seinen neusten Fall entzogen hätte – das Todesermittlungsverfahren Hagen Greiner, der bei einem SEK-Einsatz ums Leben gekommen war.
Walter nahm seine randlose Brille von der Nase und putzte sie. Das tat er nicht nur, wenn die Gläser verschmiert waren, sondern auch, wenn er sich ärgerte. Die Hände waren beschäftigt und in großer Runde kaschierte das sinnlose Putzen hervorragend seine Erregung.
Vor ihm auf dem Tisch lag die Samstagsausgabe des Berliner Express. Gut gemacht – Polizei, prangte in großen Lettern auf der Titelseite. Über dem Artikel stand der Name seiner alten Kommilitonin Sarah.
Kaum durfte sie für diese Provinzzeitung vor den Toren Hamburgs, dort, wo sie beide studiert hatten, über Feuerwehrbälle, Schützenfeste und Kaninchenzüchter berichten, hatte sie das Jurastudium geschmissen, um Journalistin zu werden. »Komm bloß nicht auf die schiefe Bahn«, hatte er sie damals noch gewarnt. Heute fragte sich Ludwig K. Walter manchmal, wer von ihnen beiden vom
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