Mein Mann der Moerder
Regionalkrimi veröffentlicht hatte – für einen großen Schriftsteller. Ahnte nicht, wie sehr die Kollegen sich über ihn amüsierten. Und zwar nicht nur, weil er seine Ehefrau auf dem Fußboden der heimischen Waschküche halb nackt für das Titelbild seines Romans als ›Leiche‹ fotografiert hatte. Der Krimi des großen Kritikers war in einem sogenannten Zuschussverlag erschienen, der jeden zum Schriftsteller kürte, der dafür bezahlte.
Oder der Redakteur, der seine Leser in Kommentaren gerne zu ›mehr Bescheidenheit‹ und ›Konsumverzicht‹ aufrief. Und nach Feierabend geschnorrte Rezensionsexemplare bei amazon verhökerte. Den Vogel schoss allerdings die Kollegin einer überregionalen Tageszeitung ab, die immer im schwarzen Etuikleid zu Pressefilmvorführungen erschien. Mit ihrem bleich geschminkten Gesicht, der übergroßen Sonnenbrille, die sommers wie winters in ihrem auftoupierten Haar steckte, versuchte sie erfolglos, ihrem großen Vorbild Audrey Hepburn nachzueifern. Aus ihrer schwarzen Handtasche zog sie nicht etwa Notizblock und Stift, sondern eine Tupperdose, die sie ungeniert am Büfett füllte. Die Veranstalter schwiegen. Aus Furcht vor schlechten Kritiken.
Die ganze Nacht schrieb Sarah an ihrem Artikel und bekam gar nicht mit, dass es draußen hell wurde. Das erste Mal seit Langem genoss sie es wieder, allein zu leben. Ihr Ex, ein Lehrer, der nie viel Verständnis für ihren Beruf aufgebracht hatte, war vor ein paar Monaten ausgezogen. Immer wieder hatte es Streit gegeben, wenn Sarah abends zu Terminen oder am Wochenende arbeiten musste. Auch wenn die Trennung Sarah schwer getroffen hatte, musste sie nun immerhin niemandem mehr Rechenschaft darüber ablegen, dass sie zu viel arbeitete.
Der Berufsverkehr rauschte schon vor ihrem Fenster, als sie den letzten Satz formulierte. Sie blickte auf ihre Armbanduhr und erschrak. Es war neun. In einer Stunde musste sie in der Redaktion sein. Doch obwohl sie die ganze Nacht geschrieben hatte, war sie zufrieden wie lange nicht mehr.
Schnell recherchierte sie im Internet, welches Ressort beim Magazin für diese Geschichte zuständig war. Mit zittrigen Fingern wählte sie die Telefonnummer. Hoffentlich war um neun Uhr schon jemand in der Redaktion. Beim Berliner Express durfte – auch wenn Hartmut Urlaub hatte – niemand mitkriegen, was sie im Schilde führte.
Sarah hatte sich genau zurechtgelegt, was sie sagen wollte. Zu ihrer großen Überraschung wurde sie von der Telefonzentrale sofort durchgestellt, landete bei einer Redaktionsassistentin, die sehr nett war. Sarah stellte sich als freie Journalistin vor und schilderte in kurzen Worten den skandalösen SEK-Einsatz.
»Klingt interessant«, sagte die Assistentin freundlich. »Können Sie uns Ihren Artikel zumailen oder faxen? Ich lege ihn dann dem Ressortleiter vor und wir melden uns.«
Sarah war überrascht, sie hatte eher damit gerechnet, dass man versuchen würde, sie abzuwimmeln. Plötzlich wurde sie misstrauisch. Das Magazin würde ihr die Geschichte doch nicht etwa klauen? Aber sie war ja im Besitz der vollständigen Ermittlungsakte. Ohne Akte war die Geschichte nur halb so viel wert, beruhigte sie sich selbst.
»Okay«, willigte Sarah ein. »Wann kann ich mit einer Antwort rechnen? Ich möchte meinen Artikel woanders anbieten, wenn Sie kein Interesse haben.« Ein bisschen Druck konnte ja nicht schaden, dachte Sarah. Außerdem war das tatsächlich ihr Plan.
»Wir melden uns, so schnell es geht«, versprach die Assistentin und gab Sarah die E-Mail-Adresse der Redaktion. Sarah bedankte sich, legte auf, setzte sich wieder an den Computer und formulierte ein kurzes Anschreiben, in dem sie betonte, dass alle Behauptungen des Artikels durch Aktenmaterial belegt seien. Dann lud sie ihren Text als Anlage hoch. Und klickte auf senden.
*
Seit Stunden saß ich in der Dunkelheit, sah aus dem Fenster, lauschte auf jedes Geräusch und wartete. Die Stadt schlief. Hinter den Fenstern der Nachbarhäuser war es dunkel. Aus der Ferne hörte ich das leise Rauschen des Verkehrs. Bis Mitternacht hatte KK mir noch Kurznachrichten geschickt: Ich vermisse dich. Ich muss dich unbedingt wiedersehen. Warum quälst du mich so? Doch inzwischen war das Handy verstummt. Rücksichtsvoll von KK, dass er mich schlafen lassen wollte. Er konnte ja nicht ahnen, dass ich die Nächte oft durchwachte und tagsüber schlief, weil mein Rhythmus völlig aus dem Takt geraten war. Immer wieder nahm ich mein Handy zur
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