Mein Mann der Moerder
im Großraumbüro am Ende des Ganges von ihren Schreibtischen aufsahen.
»Ich sage ja nicht, dass die Polizei Mist gebaut hat. Aber es gibt hier eine Reihe von Fragen. War der Mann wirklich ein Drogendealer? Hatte er tatsächlich Handgranaten bei sich zu Hause? Hat er die Polizisten wirklich mit einer Waffe bedroht? Oder hielt er das SEK für Einbrecher und zog seine Gaspistole?« Sarah zitterte innerlich, ihre Stimme überschlug sich und geriet eine Spur zu schrill. Das ärgerte sie, denn obwohl sie im Recht war, verlieh ihr dieser Ton die Überzeugungskraft einer hysterischen Zicke.
Das spiegelte sich in Hartmuts Blick, der sie mit einer Verachtung anfunkelte, die an Hass grenzte.
»Ich weiß genau, was in diesem kleinen Köpfchen vorgeht«, zischelte er. »Du witterst hier einen Skandal, mit dem du dich profilieren kannst.«
»Unsinn«, erwiderte Sarah trotzig. »Fragen wird man als Journalistin ja wohl noch stellen dürfen.« Sie war ihrem Chef noch nie ins Wort gefallen, wunderte sich über sich selbst.
Hartmut senkte seine Stimme auf ein gefährlich klingendes Timbre – leise, verschlagen. Seine Unterlippe bebte. Vor Wut. Oder weil Hartmut unter leichten Entzugserscheinungen litt und wieder einen Schluck brauchte.
»Du wirst jetzt aufschreiben, dass der SEK-Beamte den Drogendealer in Notwehr erschossen hat. Und zwar genau das. Selbst wenn sich die Bullen mal getäuscht haben sollten: Wo gesägt wird, fallen Späne. Und wir brauchen die Polizei. Jeden Tag. Weil wir nämlich unser Blatt füllen müssen und darauf angewiesen sind, dass die Bullen uns Informationen geben.«
Hartmut zerknüllte das Fax und warf Sarah den Papierball an den Kopf.
»Du kannst halt doch bloß deinen Kulturkitsch tippen«, sagte er verächtlich und ließ sie stehen.
Sarah fühlte sich wie ein begossener Pudel, brachte keinen Ton über die Lippen. Ihre Wangen glühten. Was bildete sich dieser Schlappschwanz eigentlich ein? Nicht nur, dass er sie zutiefst gedemütigt hatte. Viel Schlimmer war, dass er es nicht wagte, der Polizei ein paar kritische Fragen zu stellen. Dieses Arschloch war gar kein Journalist. Er war ein Verkäufer. Ein Duckmäuser. Wütend stapfte Sarah den Flur entlang zu ihrem Schreibtisch zurück. Keiner ihrer Kollegen sagte ein Wort. Die Blicke auf die Bildschirme geheftet, konzentrierten sie sich scheinbar auf ihre Texte. Einige waren verängstigt. Andere schadenfroh. Feige Bande. Nur Matze kam an ihren Schreibtisch, stellte ihr wortlos einen Becher frisch gebrühten Kaffee neben den Rechner.
Sarah sah ihn dankbar an. Dann tippte sie in Windeseile die Meldung über den tödlichen Polizeieinsatz in ihren Computer. Allerdings achtete sie peinlich genau darauf, sich von der Version der Polizei zu distanzieren, wählte Formulierungen wie: nach Angaben der Polizei soll … und laut Polizei hatte der Mann angeblich …
Mal sehen, ob Hartmut ihr diese Redewendungen aus dem Text streichen würde. Nächste Woche hatte dieser Scheißkerl Urlaub. Fuhr zu seinem Piepsmäuschen nach Hamburg. Dann hatte sie wenigstens ein paar Tage Ruhe vor ihm.
Sobald Basti wieder da war, würde er diese blöde Kuh feuern, dachte Hartmut Gnitzke, als er seine Bürotür hinter sich ins Schloss knallen ließ. Was die sich einbildete!
Gnitzke öffnete den Garderobenschrank, schob seinen Trenchcoat beiseite und holte die Wodkaflasche aus ihrem Versteck. Er nahm einen kräftigen Schluck. Gut, dass ihn der Polizeisprecher vorhin angerufen hatte, damit er diese blöde Kuh noch zurückpfeifen konnte. Gnitzke wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Lippen. Es ging eben nichts über einen kurzen Draht zwischen Lokalchef und Polizeipressestelle.
*
Als ich in Berlin ankam, zeigte das Display meines Handys fünf Kurznachrichten und drei Anrufe in Abwesenheit an. Die erste SMS von KK hatte ich noch auf der Autobahn gelesen. Danach hatte ich das Handy piepsen und klingeln lassen.
Ich freute mich, wieder zu Hause zu sein. Am Briefkasten von Kristina Nötzelmann stand nun auch der Name Schellenberger . Der Journalist war also tatsächlich bei meiner Nachbarin eingezogen. Ich nahm mir vor, mich nicht um ihn zu kümmern. Immerhin war die Nötzelfrau so nett gewesen, mir meine Post vor die Wohnungstür zu legen. Der Briefkasten musste übergequollen sein, denn der Stapel war beträchtlich. Ich legte die Briefe, darunter auch welche von meinem Anwalt Dr. Zimmer, auf die Anrichte, aber ich hatte keine Lust, sie zu öffnen. Wie
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