Mein Mann der Moerder
Alarm. Wahrscheinlich hatten sich Kinder einen Streich erlaubt. Ich wollte die Tür gerade wieder schließen, als ich unten im Treppenhaus ein Schlurfen hörte.
Und dann kam er die Treppe herauf. Er trug einen Hut mit breiter Krempe, der sein Gesicht versteckte, und einen schwarzen, weiten Mantel. Trotzdem erkannte ich ihn sofort. Tobias.
Ich schluckte trocken. Obwohl ich mir in den letzten Tagen wieder und wieder vorgestellt hatte, dass er kommen würde, war ich überrascht, weil ich nicht mehr mit ihm gerechnet hatte. Schon gar nicht um diese Zeit. Draußen war es ja noch nicht mal richtig dunkel. Dass Tobias sich hierher traute?! Dreist und schlau, schoss es mir durch den Kopf. Selbst wenn die Polizisten das Haus immer noch observierten, würden sie Tobias für einen harmlosen Besucher halten.
Ich spürte, wie meine Hände schweißnass wurden. Auf halber Treppe hob Tobias den Kopf und sah mich an. Mir stockte der Atem. In seinem Blick war eine Trauer, die mich überraschte und die ich nicht zu deuten wusste. Wahrscheinlich bereute er längst, was er getan hatte, war erschöpft von der Flucht. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. Immerhin wirkte er sehr gepflegt, was mich wunderte. Sein Mantel fiel tadellos, das weißes Hemd war gebügelt, die Jeans sauber, die schwarzen Slipper geputzt. Tobias sah mitnichten aus wie ein Mörder auf der Flucht. Merkwürdig. Er musste irgendwo Unterschlupf gefunden haben. Jemand hatte ihn versteckt. Wahrscheinlich dieser Timo Nehring, ein Kollege, mit dem er sich in der letzten Zeit ab und an zum Golfen getroffen hatte. Dieses Schwein – deckte einen Mädchenmörder.
Tobias sah mich noch immer an. Sein Blick war der eines Hundes, der sich vor seiner Herrin duckt. Ich empfand nicht einen Funken Mitleid. Am liebsten wäre ich die Treppe hinuntergestürmt und hätte mit Fäusten auf ihn eingeprügelt.
Mich durchzuckte ein teuflischer Gedanke. Ich würde Tobias jetzt töten. Punkt. Auch wenn die Frist, die ich mir selbst gesetzt hatte, abgelaufen war. Zu lange hatte ich auf diesen Moment der Rache gewartet. Eigentlich fast mein ganzes Leben lang.
»Xenia, ich möchte bitte …«
Tobias sprach sehr leise, die hohen Wände des Treppenhauses schluckten seine Worte fast. Dieser unterwürfige Ton reizte mich noch mehr. Wie gerne hätte ich ihm von oben ins Gesicht gespuckt. Doch ich musste mich beherrschen. Tobias durfte keinen Verdacht schöpfen. Die Vorkehrungen für den Mord waren alle getroffen – auch die außerhalb des Hauses. Alle Utensilien standen bereit.
»Tobias, mein Lieber«, flötete ich und breitete meine Arme aus.
Ein zaghaftes Lächeln huschte über sein Gesicht. Ermutigt durch meine freundliche Begrüßung stieg er die letzten Stufen zu mir herauf.
Ja, komm nur, mein Lieber, dachte ich, lauf mir in die Falle. Als Tobias oben angekommen war, umarmte ich ihn, drückte ihm einen Kuss auf seine glatt rasierte Wange, roch sein Aftershave. Es kostete mich Überwindung, aber ich musste den Widerwillen, der sich in mir aufbäumte, bezwingen.
Tobias sah mich verdutzt an, doch er ließ sich umarmen, drückte mich nach einer Schrecksekunde an sich, ganz fest, wollte mich gar nicht wieder loslassen.
Mir wurde übel. Ich säuselte: »Schön, dass du wieder da bist, komm rein.«
Tobias folgte mir in den Flur. Noch immer sagte er nichts, wirkte irgendwie verlegen, hängte Hut und Mantel an die Garderobe. Ich führte ihn ins Wohnzimmer. Wortlos ließ er sich aufs Sofa fallen.
»Auf dieses Wiedersehen müssen wir anstoßen«, strahlte ich ihn an. »Was für ein Glück, dass ich noch eine Flasche Champagner im Kühlschrank habe. Warte hier. Bin sofort zurück.«
Ich eilte in die Küche, holte den Schampus, ein Relikt glücklicherer Tage, aus dem Kühlschrank. Wie eine Profikellnerin legte ich ein trockenes Geschirrtuch über den Korken und drehte ihn vorsichtig aus dem Flaschenhals, sodass die Luft langsam entwich und die lauernde Fontäne erstickte. Ein feiner Nebel stieg aus der Flasche. Wie passend, dachte ich. Der Geist aus der Flasche. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, was allerdings weniger der Aufregung, sondern der Euphorie geschuldet war. Ich konnte es kaum erwarten, Tobias tot zu sehen.
»Soll ich dir helfen?«, rief er plötzlich aus dem Wohnzimmer.
»Nein, danke. Flasche ist schon auf!«, rief ich zurück. Ich musste mich beeilen, sonst würde Tobias noch in die Küche kommen.
Ich nahm zwei langstielige Kelche aus dem Schrank, stellte
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