Mein Monat mit dem Millionär
lässig eine Schranktür und präsentierte Isabelle mit gönnerhaftem Grinsen eine Schachtel Kräutertee.
„Danke“, sagte sie und nahm hastig den Tee an sich.
„Kein Problem.“ Er lehnte sich an den Tresen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Hat Emilio Ihnen gezeigt, wo Sie schlafen?“, fragte Isabelle mit erzwungener Höflichkeit.
„Klar. Tolles Haus, was? Mein Bruder hat’s geschafft.“
„Ja, hat er.“
„Wahrscheinlich ärgern Sie sich grün und blau, dass Sie ihn damals in die Wüste geschickt haben.“
Isabelle wusste nicht, was sie darauf hätte erwidern sollen.
„Scheint, als hätten Sie beide was am Laufen?“, setzte Estefan nach.
Sie fragte sich, was Emilio ihm erzählt hatte. Wenig, vermutete sie. Emilio war schließlich nicht dumm.
„Sie wohnen hier, fahren sein Auto und werden verpflegt. Ich möchte zu gern wissen, was er dafür bekommt.“
Hausarbeit, Frühstück und abends eine warme Mahlzeit. Doch Isabelle war klar, dass Estefan etwas ganz anderes meinte.
Das Wasser kochte, und Isabelle goss den Tee auf. Estefan war ihr zuwider. Sicher, auch Emilio war gemein zu ihr gewesen, aber auf eine andere Weise. Damit konnte sie umgehen. Sein Bruder traf immer unter die Gürtellinie, und sie konnte nur hoffen, dass er nicht merkte, wie sehr er sie aus der Fassung brachte. Wenn sie sich zusammenriss, langweilte er sich bestimmt irgendwann und ließ sie allein.
Ihre Hoffnung trog, denn Estefan trat nun ganz dicht hinter sie. Sein Aftershave roch ekelhaft.
„Mein Bruder ist ein viel zu netter Kerl, um zu kapieren, dass man ihn ausnutzt.“
Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass er es war, der Emilio ausnutzte, aber das stand ihr nicht zu. Sie waren Brüder, und Blut war dicker als Wasser. Also wandte sie sich ab, um in ihr Zimmer zu gehen, doch Estefan versperrte ihr den Weg.
„Lassen Sie mich durch!“
„Sie haben nicht ‚Bitte‘ gesagt.“
Einen Moment lang starrten sie sich starr und schweigend an, und kurz darauf ließ Estefan sie passieren. Isabelle zwang sich, langsam zu gehen. Er sollte nicht denken, dass sie vor ihm flüchtete. Leider konnte man ihre Zimmertür nicht abschließen. Daher schob sie den Klappstuhl unter die Türklinke. Nur für den Fall der Fälle. Sie nahm nicht an, dass Estefan sich an ihr vergehen würde, aber sie ging lieber auf Nummer sicher.
Bisher war ihr Aufenthalt bei Emilio nicht gerade ein Sonntagsausflug gewesen, aber die Arbeit machte ihr nichts aus, und sie hatte sich in seinem Haus immer sicher gefühlt. Leider war das dank Estefan jetzt vorbei.
10. KAPITEL
Obwohl es immer noch berechtigte Zweifel gab, glaubte Emilio mittlerweile, dass sich sein Bruder wirklich geändert hatte. Bisher hatte er Emilio nicht um Geld angepumpt, noch nicht einmal fürs Benzin. Er kam früh nach Hause, statt sich herumzutreiben, und soweit Emilio es beurteilen konnte, war er in den drei Tagen, in denen er nun bei ihm wohnte, nüchtern gewesen. In der Folge legte sich langsam die von beiden Seiten lange gepflegte gegenseitige Abneigung.
Früher war Estefan immer neidisch auf Emilio gewesen. Auf die gut bezahlten Schülerjobs, auf die Bestnoten und die Stipendien. Dass man für diese Dinge hart arbeiten musste, wollte er nie einsehen. Allerdings schien es, als habe Estefan endlich begriffen, dass er selbst anpacken musste, wenn er es in diesem Leben noch zu etwas bringen wollte.
Jedenfalls hoffte Emilio, dass es so war.
Bei Western Oil ging es immer noch drunter und drüber, und er hatte auch so schon genug zu tun. Trotzdem hatte Emilio die letzten Abende mit seinem Bruder verbracht. Sie hatten sich Videos angeschaut, gelacht, geredet. Zum ersten Mal entstand zwischen ihnen so etwas wie Geschwisterliebe. Außerdem lenkte er Emilio von seinen Gefühlen zu Isabelle ab.
Oder zumindest hatte er das gehofft. Seit er ihr mitgeteilt hatte, dass er mit ihr nur auf professioneller Ebene verkehren wollte, war er besessen von der Erinnerung an ihre Lippen, ihren Duft und ihre zarte Haut. Sie waren beide immer noch so scharf aufeinander wie damals auf dem College. Nur dass er Isabelle jetzt noch mehr begehrte. Und diesmal hatte es nichts mehr mit Rache oder Demütigung zu tun. Er wollte sie haben, und das, was er in ihren Augen las, bewies ihm, dass sie genauso für ihn empfand. Auch Estefan war das Prickeln zwischen ihnen nicht entgangen.
„Sie ist verrückt nach dir, Bruderherz“, bemerkte Estefan am Dienstagabend nach dem Essen, während sie sich im
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