Mein Monat mit dem Millionär
und es tut mir wirklich leid. Aber ich kann nicht mehr warten.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sie kritisch. Auch Isabelle betrachtete ihn zum ersten Mal genauer. In seinem dunklen Anzug und mit dem aus dem Gesicht gekämmten kurzen schwarzen Haar wirkte er fremd. Kaum etwas erinnerte an den Jungen, den sie einst gekannt hatte. In den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte, als er fünfzehn und sie zwölf Jahre alt gewesen war. Allerdings waren danach noch Jahre vergangen, ehe Emilio sie zum ersten Mal wirklich wahrgenommen hatte.
Seine Mutter war Haushälterin bei den Winthrops gewesen, und der alte Winthrop hatte seiner Tochter Isabelle jeden Umgang mit dem jungen Emilio Suarez verboten. Das hatte sie jedoch nicht daran gehindert, sich heimlich mit ihm zu treffen, jedes Mal voller Angst, erwischt zu werden. Zunächst ging alles gut. Bis zu jenem Tag, an dem ihr Vater von ihrem Plan erfahren hatte, gemeinsam davonzulaufen.
Nicht genug, dass er Isabelle mit aller Härte bestraft hatte – er hatte auch Emilios Mutter fristlos gekündigt und das Gerücht verbreitet, sie habe gestohlen, damit niemand sie mehr einstellen würde.
Isabelle wünschte, ihr Vater könne sie jetzt sehen. Emilio, reich und mächtig geworden, und sie als Bittstellerin.
Siehst du, Daddy, er war gut genug für mich. Vielleicht besser, als ich es verdient hätte.
Emilio hätte sie niemals schlecht behandelt oder ihren Ruf durch kriminelle Geschäfte ruiniert. Er war ehrlich, vertrauenswürdig und loyal.
Und in diesem Moment ziemlich wütend auf sie.
„Du tust das also für deine Mutter?“, fragte er.
Isabelle nickte. „Mein Anwalt meint, dass dein Bruder sich wohl kaum auf einen Handel einlassen wird, weil die Sache von den Medien so hochgekocht wurde. Sie wird mit ziemlicher Sicherheit ins Gefängnis wandern.“
„Vielleicht gefällt mir diese Aussicht ja“, bemerkte er.
Ihr Widerspruchsgeist regte sich. Adriana Winthrop war zu ihm und seiner Mutter immer sehr freundlich gewesen. Ihre einzige Schuld lag darin, mit einem arroganten Gewalttäter verheiratet gewesen zu sein. Doch noch nicht einmal das konnte man ihr zum Vorwurf machen. Ihr Versuch, ihn zu verlassen, war kläglich gescheitert, und er hatte es sie furchtbar büßen lassen.
„Zielt der Aufzug, in dem du hier erscheinst, darauf ab, mein Mitleid zu erwecken?“
Sie widerstand der Versuchung, einen Blick auf ihre abgetragene Bluse und die schlecht sitzende Hose zu werfen, die sie trug. Beides stammte aus einem Kleidersack, den ihre Mutter eigentlich für eine Wohltätigkeitsorganisation bestimmt hatte. Als die Leute gekommen waren, um das Haus leerzuräumen, hatte Isabelle leider nicht darauf bestanden, irgendetwas von ihren Sachen zu behalten. Nun musste sie mit dem auskommen, was übrig war.
„Du tust mir nicht im Geringsten leid, Isabelle“, fuhr er fort. „Meiner Meinung nach bekommst du das, was du verdienst.“
Da konnte sie ihm nur zustimmen.
Sie begriff, dass ihr Besuch bei ihm vergeblich war, reine Zeitverschwendung. Er würde ihr nicht helfen, weil er das, was sie ihm angetan hatte, nicht vergessen konnte. Er schien verbittert.
Immerhin war es einen Versuch wert gewesen.
Enttäuscht stand sie auf und sagte mit zitternder Stimme: „Na gut. Danke, dass sie mir ein wenig Ihrer Zeit geopfert haben, Mr Suarez.“
„Setz dich!“, befahl er.
„Wozu? Du willst mir ja doch nicht helfen.“
„Das habe ich nie gesagt.“
In seinen Augen meinte sie nun doch so etwas wie Mitgefühl zu entdecken, und ihre Hoffnung erwachte von Neuem. Also setzte sie sich wieder.
„Ich werde mit meinem Bruder über den Fall deiner Mutter reden, aber ich erwarte eine Gegenleistung.“
Das hätte sie sich ja denken können. Ihr wurde kalt. „Welche?“
„Du wirst dreißig Tage lang als Haushälterin für mich arbeiten. Für mich kochen, putzen und waschen. Alles tun, was ich verlange. Wenn die dreißig Tage um sind und ich mit deiner Leistung zufrieden bin, spreche ich mit meinem Bruder.“
Ihr war klar, dass er sie die gleichen Arbeiten in seinem Haus verrichten lassen wollte, die seine Mutter erfüllt hatte, um sich für deren Rauswurf zu rächen. Wie hinterhältig von ihm. Was war aus dem sanften, liebevollen Jungen geworden, den sie gekannt hatte? Nie hätte sie ihm einen solch teuflischen Plan zugetraut. Emilio musste sich sehr verändert haben, und der Gedanke, dass sie vermutlich schuld daran war, schmerzte. Sie hatte ihn zu einem
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