Mein Monat mit dem Millionär
Glas. Über der Eingangstür befand sich ein riesiges rundes Fenster mit bleigefassten bunten Scheiben. Wenn am Morgen die Sonne hindurchschien, musste es im Inneren ein wunderbares Farbenspiel geben.
Weil Emilio wusste, wann sie eintreffen würde, war sie davon ausgegangen, dass er sie persönlich empfangen würde. Doch da er sich nicht blicken ließ, klingelte sie und wartete. Nach einer Minute klingelte sie erneut. Niemand kam. Vielleicht war die Klingel kaputt? Isabelle klopfte. Kein Mensch erschien. War Emilio vielleicht gar nicht zu Hause? Was nun?
Verwirrt und erschöpft blickte Isabelle sich um. War das Ganze nur ein Trick gewesen? Um es ihr heimzuzahlen? Wollte er gar nicht, dass sie für ihn arbeitete? War das am Ende nicht einmal sein Haus?
Sie schüttelte den Kopf. Emilio war vielleicht enttäuscht und wütend auf sie. Aber er war nicht grausam. Im Gegenteil. Als sie zusammen gewesen waren, hatte sie ihn als den sanftesten, liebevollsten Menschen der Welt kennengelernt.
Kurz bevor sie noch einmal den Klingelknopf drücken konnte, sagte jemand hinter ihr: „Ich bin nicht zu Hause.“
Mit plötzlichem Herzklopfen drehte sie sich um. Emilio war nur wenige Schritte entfernt. Offensichtlich kam er vom Joggen, denn er trug Sportsachen, schwitzte, und sein Atem ging rasch.
Schon auf dem College hat er gern Sport getrieben, erinnerte sich Isabelle. Sie dagegen, mit einer perfekten Figur gesegnet, die auch ohne Work-out in Form blieb, war ein oder zwei Mal mitgegangen, hatte es aber bald wieder aufgegeben.
Emilio lief die Stufen hoch und blieb so nah vor ihr stehen, dass sie seine Hitze spüren konnte. Wie gut er roch. Zu gern hätte sie sich an ihn gelehnt, ihn gespürt. Er wirkte noch größer als früher und noch attraktiver.
Mit einem Blick auf ihre Reisetasche bemerkte er: „Wo ist der Rest?“
„Mehr habe ich nicht mitgebracht.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Leichtes Gepäck.“
Ohne sich um die Tasche zu kümmern, tippte Emilio einen Code ein, und die Haustür öffnete sich mit einem Klicken. Automatisch ging das Licht an.
Isabelle nahm ihr spärliches Gepäck und folgte ihm nach drinnen. Als sie die grandiose Eingangshalle mit ihrer geschwungenen Doppeltreppe und dem großen gusseisernen Kronleuchter erblickte, hätte sie fast vor Begeisterung aufgeschrien. Die Wände waren geschmackvoll cremefarben gestrichen, nur hier und da gab es leuchtend bunte Akzente.
„Wunderschön“, bemerkte Isabelle.
„Ich zeige dir dein Zimmer, dann führe ich dich herum. Meine Haushälterin hat für dich eine Liste aller Aufgaben zusammengestellt und ein paar Kochrezepte notiert.“
„Ich hoffe, du hast sie nicht entlassen.“
„Natürlich nicht. Sie hat einen Monat bezahlten Urlaub.“
Wie großzügig von ihm. Isabelle war der Frau dankbar für die Instruktionen. Was sie von Hausarbeit wusste, passte auf eine Visitenkarte. Aber sie war durchaus lernbereit.
Sie kamen durch eine riesige Küche mit Mahagonifronten, marmornen Arbeitsflächen und Edelstahlgeräten, dann ging es an einem kleinen Badezimmer und der Waschküche vorbei zum Dienstbotentrakt.
Hier werde ich also die nächsten dreißig Tage verbringen, dachte Isabelle und schaute stumm auf das schmale Bett in ihrem zukünftigen Zimmer, den kleinen Tisch und den Klappstuhl, der neben einer schmalen, hohen Kommode stand. Weißgekalkte Wände. Keine Bilder. Nur ein kleines Kruzifix über dem Bett. Nein, Luxus war das hier nicht. Aber es war sauber, und sie konnte sich, anders als im Motel, sicher fühlen. Hier würden nachts keine Kakerlaken über ihr Bett laufen, und es gab auch keine zwielichtigen Gestalten, die in den Fluren ihre krummen Geschäfte abwickelten. Allein deshalb hatte sich Emilios Angebot schon für sie gelohnt.
Sie stellte ihre Reisetasche auf das Bett. „Hier wohnt sonst also deine Haushälterin?“
„Nein, sie hat ein eigenes Apartment. Ich achte auf meine Privatsphäre.“
„Und doch lässt du mich hier wohnen?“
„Wenn du willst, kannst du auch drüben im Pool-Haus einziehen. Platz ist genug, aber es gibt keine Heizung in den Räumen.“
Es fiel ihr schwer, keine schnippische Bemerkung zu machen. Sie musste sich zurückhalten, sonst würde Emilio sie einfach so wieder vor die Tür setzen.
Emilio wies auf die Kommode. „In der obersten Schublade ist deine Uniform.“
Eine Uniform? Überrascht und peinlich berührt, überlegte Isabelle, ob er damit wohl Strapse und Schürze meinte? Rasch zog sie die Schublade
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