Mein Monat mit dem Millionär
vermissen ihren Lieblingsonkel.“
Emilio hatte seine neun, sechs und zwei Jahre alten Neffen wirklich schon viel zu lange nicht mehr besucht. Da er nicht davon ausging, dass er selbst jemals Kinder haben würde, versuchte er, den Kontakt zu ihnen so eng wie möglich zu gestalten. „Ich weiß. Es tut mir leid. Seit dem Unfall in der Raffinerie geht es hier drunter und drüber.“
„Gibt es schon neue Erkenntnisse?“
„Bisher noch nicht. Aber es könnte sein, dass es sich um Sabotage gehandelt hat. Wir werden interne Ermittlungen anstellen. Das muss allerdings unter uns bleiben.“
„Selbstverständlich. Lustig, dass du ausgerechnet heute anrufst, denn ich wollte mich ebenfalls bei dir melden. Alana war heute Morgen beim Arzt. Sie ist schwanger.“
Emilio lachte. „Gratuliere! Ich dachte, ihr wolltet bei Nummer drei aufhören.“
„Wollten wir auch, aber Alana musste unbedingt ausprobieren, ob wir nicht doch eine Tochter hinkriegen. Mein Einwand, dass ich mit drei Brüdern gesegnet bin und wir schon drei Jungs haben, spielte da keine Rolle.“
Es war lange her, seit sich Emilio eine eigene Familie gewünscht hatte. Er und Isabelle hatten darüber gesprochen, Kinder zu haben. Mindestens zwei. „Freuen sich die Jungs?“, erkundigte er sich.
„Wir haben es ihnen noch nicht gesagt, aber sie werden begeistert sein. Zumindest Alex und Reggie. Chris ist noch ein bisschen zu jung, um es zu kapieren.“
„Du hast vermutlich nichts von Estefan gehört?“, fragte Emilio. Sein jüngerer Bruder war ständig in Schwierigkeiten, spielte, trank, nahm Drogen und tauchte eigentlich nur auf, wenn er Geld oder Unterschlupf brauchte. Ihre Mutter lebte in ständiger Furcht, dass irgendwann ein Anruf von der Polizei käme und man sie auffordern würde, die Leiche ihres Sohnes zu identifizieren.
„Keine Silbe. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert sein oder mir Sorgen machen soll. Von Enrique habe ich allerdings eine Nachricht bekommen. Er ist zurzeit in Budapest.“
Enrique war der jüngste Bruder und galt als der Nomade in der Familie. Eigentlich hatte er nach dem Collegeabschluss nur für ein paar Sommerwochen einen Rucksacktrip nach Europa geplant. Das war jetzt drei Jahre her, und seitdem hatte er sich nicht wieder zu Hause blicken lassen. Ab und zu kam eine Postkarte oder eine E-Mail, und manchmal postete er ein paar Fotos im Internet. Ganz selten rief er an. Dann versprach er jedes Mal, bald heimzukommen, aber gleich darauf erzählte er von einer Stadt, die er vorher unbedingt noch gesehen haben musste, oder einer neuen Sache, der er sich mit Haut und Haar verschreiben wollte.
Eine Weile unterhielten sich Emilio und Alejandro über die Familie und die Arbeit, aber irgendwann wusste Emilio, dass es Zeit war, mit seinem Anliegen herauszurücken. „Ich wollte dich um einen Gefallen bitten“, sagte er.
„Alles, was du willst“, erwiderte Alejandro bereitwillig.
„Isabelle Winthrop checkt heute Abend aus ihrem Motel aus. Was die Staatsanwaltschaft betrifft, ist die offizielle Information, dass sie dort weiter zu erreichen ist.“
Alejandro schwieg. Dann fluchte er leise. „Was geht hier vor, Emilio?“
„Nicht das, was du denkst.“ Er erzählte seinem Bruder von Isabelles Besuch und seiner Abmachung mit ihr. Seine Absicht, sie zu verführen, verschwieg er allerdings. Wie Emilios Boss, hätte auch Alejandro für seine Rachepläne kein Verständnis aufgebracht. Wie auch? Alejandro war noch nie das Herz gebrochen worden. Er war mit Alana schon auf der Highschool zusammen gewesen, und bis auf zwei Wochen, in denen sie ausprobiert hatten, ob sie es auch ohne einander aushielten, waren sie seitdem unzertrennlich.
„Bist du jetzt völlig verrückt geworden?“, fragte Alejandro.
„Ich weiß, was ich tue.“
„Wenn Mama das rauskriegt, bringt sie dich um. Und dann mich, weil ich dir geholfen habe.“
„Ich tue es für Mama und für unsere ganze Familie. Ich zahle Isabelle heim, was ihr Vater uns angetan hat.“
„Du vergisst, dass Isabelle dich damals versetzt hat. Oder?“
Emilio überging diesen Einwand. „Du gehst davon aus, dass sie schuldig ist?“
„Auf dem Papier, ja.“
„Aber sie hat mir gegenüber alles zugegeben. Mehr oder weniger.“
„Trotzdem gibt es neue Erkenntnisse in dem Fall.“
„Was für Erkenntnisse?“
„Du weißt genau, dass ich darüber nicht sprechen darf“, wehrte Alejandro ab. „Und außerdem wäre ich bescheuert, dir zu helfen. Wenn in meinem Büro jemand
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