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Mein Mutiger Engel

Mein Mutiger Engel

Titel: Mein Mutiger Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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sie an die Spitze der Schlange. Hat denn gar niemand außer mir die Tränen auf ihren Wangen bemerkt? fragte sich Nick. Ihm war klar, dass sie sich verzweifelt das Ende herbeiwünschte, weil sie es nicht ertragen konnte, bei anderen mit ansehen zu müssen, was ihr selbst bevorstand.
    Die nächsten zwanzig Minuten nahm Nick wie durch einen Schleier wahr. Er achtete nicht auf das, was draußen vor sich ging, sondern richtete seinen Blick starr auf das graue Haar und den vernarbten Nacken seines Vordermanns.
    Schließlich trat er ins Sonnenlicht hinaus. Während er über die Köpfe der Zuschauermenge hinwegsah, überließ er sich ganz seinen Erinnerungen an einen vertrauensvollen, duftenden, weichen Körper, der sich an ihn schmiegte, an braune Augen, die leidenschaftlich und innig zu ihm aufblickten.
    Wieder johlte die Menge laut auf, doch er zwang sich, den Lärm zu ignorieren. Einige Minuten verstrichen, dann wurde er vorwärts geschoben. Nun ist es so weit, sagte er sich. Zeig ihnen, wie ein Lydgate stirbt.
    "Black Jack! Black Jack!", skandierten die Zuschauer lautstark.
    Schon wurde ihm die harte, raue Schlinge um den Hals gelegt. Bald habe ich es überstanden, Kat. Der Druck auf seine Kehle verstärkte sich; ihm wurde schwarz vor Augen.
    Plötzlich schrie eine Frauenstimme: "Nein!"
    Im nächsten Augenblick hörte er jemanden herbeieilen. Irgendjemand zerrte an der Schlinge, schnitt sie von seinem Hals ab.
    Katherine sträubte sich mit aller Kraft gegen Arthurs Versuch, sie festzuhalten. Sie wollte an den Männern vorbei, die sich um Nick drängten, um selbst zu sehen, wie es um ihn stand. "Lass mich los! Ist er noch am Leben?"
    "Ja, Miss Katherine", sagte John, während er sich über die reglose Gestalt beugte, die man in einen Raum im Gefängnisinnern gebracht und auf einen Tisch gelegt hatte. "Aber er wird noch lange garstige Halsschmerzen haben."
    "Gott sei Dank! Oh, Gott sei Dank! Arthur, bitte lass mich endlich los!" Ungeduldig schüttelte Katherine den besorgten jungen Anwalt ab und eilte an Nicks Seite. "Wieso öffnet er nicht die Augen?"
    Als hätte er diese Frage gehört, regte er sich, hustete und stieß einen krächzenden Laut aus. Nach erneutem Husten brachte er endlich ein einziges Wort hervor: "Hölle." Es klang eher wie eine Feststellung als wie ein Fluch.
    "Nick, öffne die Augen", forderte Katherine ihn eindringlich auf.
    Nach einer Weile hoben sich seine Lider. Katherine stockte der Atem, als sie seine blutunterlaufenen Augen sah. "Nick …"
    "Kat?" Ein Hustenanfall unterbrach ihn. "Ich habe doch gesagt, du sollst nicht kommen."
    Katherine zog ihre Pelisse aus, rollte sie zusammen und legte sie ihm unter den Kopf. "Sprich jetzt nicht. Kann irgendjemand Wasser bringen?"
    "Katherine … bin ich nicht tot?"
    "Natürlich nicht", rief sie gereizt. Nach all der Aufregung, die sie in den vergangenen Stunden durchgemacht hatte, verlor sie nun endgültig die Beherrschung. "Sei jetzt um Himmels willen still und bleib ruhig liegen. Wir …" Plötzlich wurde sie von heftigem Schluchzen geschüttelt. Nick setzte sich unsicher auf, dann erhob er sich, schwankend wie eine Marionette, die nur noch an der Hälfte ihrer Fäden hing.
    "Weine doch nicht, Katherine." Ehe sie es sich versah, fand sie sich in seinen Armen wieder. Es war ein wundervolles Gefühl. "Was ist mit deinem Kopf passiert?"
    Ihre Beule hatte sie völlig vergessen, nun aber spürte sie die Schmerzen über ihrem Auge umso heftiger.
    "Ein Unfall mit der Kutsche", meldete sich Richter Highson zu Wort. "Sonst wären wir schon gestern Abend eingetroffen. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Sie, junger Mann, gehören ins Bett, und Ihre Gattin sollte sich nicht länger hier aufhalten."
    Katherine riss sich zusammen. "Oh ja, bitte lasst uns nach Hause gehen – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Direktor. John, du musst Mr. Lydgate stützen. Steht unsere Kutsche irgendwo in der Nähe?"
    "Ja", beruhigte sie John. "Kommen Sie, Sir, legen Sie den Arm um meine Schultern. So ists recht."
    Langsam und mühselig begaben sie sich durch das Gewirr der Gänge in Richtung Ausgang. Katherine brachte es kaum über sich, Nick anzusehen, so sehr erschreckten sie die wunde Stelle an seinem Hals und seine blutunterlaufenen Augen.
    Draußen reichte sie Mr. Highson die Hand. "Wie kann ich Ihnen danken, Sir? Es tut mir ja so leid, dass Sie sich verletzt haben."
    "Unsinn, meine Liebe." Der Friedensrichter bewegte kurz seinen linken Arm, der in einer Schlinge steckte, und verzog das

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