Mein Mutiger Engel
rundlicher, nachlässig gekleideter Herr mittleren Alters, dessen rote Gesichtsfarbe auf ein cholerisches Temperament schließen ließ. Bei Katherines Eintreten erhob er sich und wedelte eine kleine Wolke Schnupftabak fort. "Meine liebe Mrs. … äh, Lydgate, womit kann ich Ihnen dienen? Mein Lakai sagte, es gehe um einen Wegelagerer. Machen Sie sich keine Sorgen, Maam, wir haben den berüchtigten Gauner kürzlich gefasst. Während wir hier miteinander sprechen, wartet er schon auf den Henker."
"Ich fürchte … oje!" Katherine fächelte sich hektisch mit ihrem Taschentuch Luft zu. "Ich fürchte, ich werde gleich in Ohnmacht fallen! Luft, bitte …" Anmutig ließ sie sich in Jennys Arme fallen, um dem Friedensrichter, der ans Fenster geeilt war, den Rückweg zu seinem Schreibtisch zu versperren. Womöglich bewahrte er in der Schublade eine Pistole auf. "Oh, öffnen Sie es noch weiter, Sir, ich flehe Sie an, mir ist ganz …"
Mit einiger Mühe stemmte Richter Highson das Schiebefenster hoch. "So, Maam, nun … Was zum Teufel!", entfuhr es ihm, als mit einem Mal Jack Standon über den Sims ins Zimmer sprang.
Mr. Highson wich vom Fenster zurück, zu Katherine hinüber, die sich sofort an ihm festklammerte.
"Keine Angst, Maam", keuchte er, während er versuchte, sich zu befreien. "Ich werde Sie vor diesem Halunken beschützen!"
"Mr. Highson, Sir", rief sie. "Erkennen Sie diesen Mann nicht wieder?"
"Doch, selbstverständlich", grollte er. "Das ist Standon, der Bösewicht, der mich beraubt hat …" Seine Stimme erstarb, als ihm die Bedeutung seiner Worte klar wurde. Dann warf er Katherine einen scharfen Blick zu. "Aber Black Jack Standon sitzt im Gefängnis von Newgate! Meine liebe Dame, was geht hier eigentlich vor?"
"Mein Gatte sitzt in Newgate", erklärte Katherine, ohne seine Arme loszulassen. "Dies ist der echte Black Jack, der Mann, der Sie überfallen hat. Können wir bitte alle Platz nehmen, Sir? Dann werde ich Ihnen alles erklären."
Widerstrebend ließ sich der Friedensrichter zu einem Sessel führen. Katherine erzählte ihm Nicks Geschichte und schilderte sogar die Gründe für ihre Vermählung, die ihn sichtlich schockierten.
"Na, so was!", brummte er endlich. "Das klingt ja abenteuerlich, meine Liebe. Doch nun zu Ihnen, Standon. Heraus mit der Sprache, ist das die Wahrheit?"
"Ja, Sir." Black Jack zog eine Taschenuhr aus seiner Westentasche. "Diese Uhr habe ich nicht mit dem Rest verkauft, weil sie mir gefällt. Ein schönes Stück, das sagte ich schon, als ich sie Ihnen abnahm, wissen Sie noch?"
Mit undurchdringlicher Miene nahm Mr. Highson sein Eigentum wieder an sich. "Sie gehörte meinem Vater", bemerkte er knapp, bevor er sie in seine eigene Tasche steckte. "Wie viel hat diese Dame Ihnen bezahlt, damit Sie sich mir zu erkennen geben?"
Katherine wollte entrüstet protestieren, der Wegelagerer dagegen hielt dem Blick des Friedensrichters gleichmütig stand. "Nur den Preis für diese Uhr. Kein Mann soll anstelle von Black Jack an den Galgen kommen. Ich habe schließlich meinen Stolz."
Nach langem Schweigen erkundigte sich Richter Highson: "Wann findet die Hinrichtung statt?"
"Übermorgen, Sir", antwortete Katherine. Alles verschwamm vor ihren Augen. Sie hatte ihn überzeugt, sie hatte ihn wirklich überzeugt!
"Dass Sie mir nicht ohnmächtig werden, Maam", mahnte er. "Morgen erwartet uns eine lange Fahrt." Listig sah er zu dem Wegelagerer hinüber, der alle anderen Anwesenden überragte. "Sie gedenken sich nicht freiwillig zu stellen, habe ich recht?"
Der Mann grinste, wobei er eine Reihe schlechter Zähne entblößte. "Jawohl, Herr Richter. Ich glaube, ich werde jetzt losziehen und ein, zwei Kutschen überfallen – damit die Leute wissen, dass Black Jack wieder umgeht. Guten Tag, Maam. Sagen Sie Ihrem Gatten, er kann sich glücklich schätzen."
"Sie werden eines Tages am Galgen enden", rief der Friedensrichter ihm grimmig hinterher, während der Wegelagerer wieder über den Fenstersims kletterte.
"Ja, schon möglich", erwiderte Black Jack gelassen. Dann war er verschwunden.
"Sie glauben mir also, Mr. Highson?", fragte Katherine. "Sie werden mit uns nach London fahren und den Namen meines Gatten reinwaschen?"
"Ja, meine Liebe. Ich werde eine eidesstattliche Aussage verfassen und sie von einem meiner Kollegen in der Stadt beglaubigen lassen. Gleich morgen brechen wir auf. Ihr Liebster wird sich freuen, Sie zu sehen."
"Mein Liebster?", begehrte Katherine auf, bis sie das Funkeln in Mr.
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