Mein Mutiger Engel
Gesicht. "Leichte Kopfschmerzen und eine ausgerenkte Schulter sind ein geringer Preis für die Freiheit Ihres Mannes. Bedenken Sie, wie mir zumute wäre, wenn ich das Leben eines Unschuldigen auf dem Gewissen hätte. Auf Wiedersehen, Mrs. Lydgate."
Zum Abschied umarmte sie ihn herzlich und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, woraufhin er hochrot anlief.
John half Nicholas, sich auf einen Mauervorsprung zu setzen. "Ich werde gleich wiederkommen, falls der Bengel, der auf die Pferde aufpassen sollte, sie in der Zwischenzeit nicht verkauft hat."
Während er ging, betrachtete Katherine voller Sorge ihren Gatten, der mit geschlossenen Augen an der Mauer lehnte. Sollte sie seine Hand halten, oder wünschte er das vielleicht nicht? Sie zögerte, bis schließlich das Rattern von Rädern Johns Rückkehr ankündigte.
"Fährst du auch mit, Arthur?"
"Wenn ich darf", antwortete er und half zuerst Nick, dann Katherine und Jenny in die Kutsche. "Ich muss gestehen, ich brenne darauf, zu erfahren, wie du dieses Wunder vollbracht hast."
Katherine warf einen Blick auf Nick, bevor sie antwortete. Seine Augen waren geschlossen, aber er schien nicht bewusstlos. Da ihre Erklärung ihn vermutlich aufregen würde, sollte er sie erst hören, nachdem er sich ein wenig erholt hatte.
"Ja, selbstverständlich. Später werde ich dir alles erzählen, Arthur. Wo steckt eigentlich Philip? Hat er dich nicht begleitet?"
Angesichts seines betretenen Schweigens sank ihr Mut – oh nein, nicht schon wieder betrunken!
"Ja, wo befindet sich mein werter Schwager?", warf Nick mit krächzender Stimme ein. Er hatte die Augen geöffnet und musterte Arthur mit ironischem Interesse.
"Auf dem Weg nach Frankreich."
"Frankreich?", entfuhr es Katherine.
"Ich habe versucht, ihn aufzuhalten", beteuerte Arthur schnell. "Ich habe mich wirklich bemüht. Er sagte, das Maß sei voll, so könne es nicht weitergehen."
"Er sagt, das Maß ist voll?" Katherine verkniff sich die heftigen Worte, die ihr auf der Zunge lagen. "Wie konnte er sich die Reise überhaupt leisten?"
"Indem er ein paar Dinge versetzt hat", antwortete Arthur zögerlich. "Ich wollte ihm das Geld leihen, aber das lehnte er ab."
"Welche Dinge?", hakte Katherine nach. Plötzlich beschlich sie eine böse Ahnung, um welche Gegenstände es sich handeln könnte. "Wir besitzen keinerlei Wertsachen mehr, außer Großmutter Harrisons vergoldeter Kaminuhr und Mutters Perlenohrringen."
"Ich fürchte, die hat er genommen", bestätigte Arthur.
Mühsam unterdrückte Katherine ihren Schmerz und ihren Zorn. Es sind doch bloß Gegenstände, redete sie sich ein. Du brauchst sie nicht als Andenken an die Verwandten, die sie dir hinterlassen haben.
"Anscheinend schämt sich Mr. Cunningham, von seinen Freunden Geld zu borgen, aber nicht, seine Schwester zu bestehlen", bemerkte Nick. Katherine stellte mit Erstaunen fest, wie gut es ihr tat, dass er sich um ihretwillen ärgerte. "Wissen Sie, zu welchem Pfandleiher er gegangen ist?" Arthur nickte. "Und die Quittungen?"
"Ich glaube, er hat sie in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt."
"Würden Sie die Uhr und die Ohrringe bitte für Katherine einlösen? Wir erstatten Ihnen den Betrag selbstverständlich zurück."
"Aber ja", sagte Arthur eifrig.
Nach diesem Wortwechsel ließ sich Nick erschöpft in die Polster zurücksinken und schloss wieder die Augen. Sein Zustand bereitete Katherine Sorgen.
In der Clifford Street angekommen, stützten John und Arthur mit vereinten Kräften die hochgewachsene, schwankende Gestalt, während sie aus der Kutsche stiegen und ins Haus traten. "Setze rasch heißes Wasser auf, Jenny", wies Katherine ihre Zofe an. "John kann den Badezuber hinauftragen, wenn er Mr. Lydgate in Mr. Philips Zimmer gebracht hat."
Die beiden jungen Frauen warteten unruhig vor der Schlafzimmertür. Schließlich kam Arthur heraus, gefolgt von John mit einem Bündel Kleider, das er auf Armeslänge von sich weg hielt. "Diese Sachen müssen verbrannt werden, Miss Katherine. Mr. Lydgate meint, mit Verlaub, er sei kein verfl… äh, kein krankes Kind und könne sich ohne unsere Hilfe waschen. Und er lässt fragen, ob wir ihm eine Rückenbürste geben können."
Katherine lächelte erleichtert. Wenn Nick imstande war, seine Helfer hinauszuwerfen, konnte es ihm nicht allzu schlecht gehen. "Bring ihm bitte meine Bürste, Jenny. John, wo können wir wohl ein Nachtgewand für ihn finden? Philips Hemden passen ihm mit Sicherheit nicht."
"Ich werde eines von meinen holen."
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