Mein Mutiger Engel
bedienen.
"Gut, ich hole den Champagner, und Sie bringen die Speisen", beendete Robert die Diskussion.
Champagner? Den hatte Lady Fanny ausdrücklich verboten. Doch am Nachbartisch schenkte Nick Lady Camilla gerade Wein ein. Nun, was sie kann, kann ich schon lange, sagte sich Katherine. Ich werde nicht bieder und kleinbürgerlich auftreten.
Als Nick zu ihr herübersah, schenkte sie ihm ein honigsüßes Lächeln und winkte auf genau dieselbe kokette Weise, die sie bei anderen Frauen immer verachtet hatte.
Nick erfasste den ironischen Charakter ihrer Geste. Im Gegenzug verneigte er sich und prostete ihr schweigend zu, was seiner Begleiterin nicht entging.
"Wer ist dieses Mädchen?", erkundigte sie sich kühl. "Sie sieht ganz annehmbar aus. Auf jeden Fall versteht sie sich gut zu kleiden."
"Eine Freundin von Cousine Fanny. Würden Sie sie als hübsch bezeichnen?", gab Nick lässig zurück. Gut, Robert besorgt Champagner, wie ich ihn angewiesen habe. Weiß der Himmel, wieso er diesen streitbaren schottischen Anwalt mitgebracht hat; wahrscheinlich ließ der Bursche sich nicht abwimmeln.
Camilla freute sich sichtlich über seine scheinbare Kritik an Katherines Erscheinung. Zweifellos erwartete sie, dass er ihr, der besten Partie weit und breit, bald einen Heiratsantrag machen würde. Ganz abgesehen davon, dass er bereits vermählt war, ärgerte ihn die Selbstverständlichkeit, mit der sie dies annahm.
Plötzlich rief sie fröhlich: "Sehen Sie nur, Jack Waterfall und meine Schwester Lucy. Jack! Kommt, setzt euch zu uns."
Nick stand auf, als die beiden sich näherten. "Wenn die Herrschaften mich bitte für einen Augenblick entschuldigen würden."
Da Robert und Graham noch am Buffet beschäftigt waren, saß Katherine allein an ihrem Tisch.
"Katherine?"
Obwohl sie Nick zweifellos hatte kommen sehen, fuhr sie in meisterhaft gespielter Verblüffung zusammen. "Oh! Mylord?"
"Hast du einen Tanz für mich reserviert?"
"Ja. Nach dem Souper stehe ich dir zur Verfügung."
"Dann wähle ich einen Walzer." Er nahm ihren Stift und trug sich in ihre Karte ein.
"Nur ein einziger Tanz?", entfuhr es ihr. Als ihr auffiel, wie pikiert sie klang, runzelte sie aus Ärger über sich selbst die Stirn.
"Ja, nur ein einziger." Das wird genügen.
Katherine trank zwei Gläser Champagner. Erstaunlicherweise beschwichtigte er ihren Ärger über Lady Camilla, die ihr hochmütig das Profil zuwandte. Doch er half ihr nicht, das rätselhafte Verhalten ihres Gatten zu begreifen. Wollte Nick sie reizen? Oder für irgendein Vergehen bestrafen, das sie unbewusst begangen hatte? Flirtete er etwa mit ihr?
Ein Lakai überbrachte Robert eine Nachricht, woraufhin dieser den Tisch verließ.
Nun, da Katherine mit Roderick Graham allein war, nahm sie all ihren Mut zusammen und fragte: "Mr. Graham, wie würden Sie vorgehen, wenn Sie mit mir flirten wollten?"
Beinahe wäre er an einem Bissen Hummerpastete erstickt. Es dauerte eine ganze Weile, bis er eine Antwort herausbrachte. "Möchten Sie denn, dass ich das tue, Miss Cunningham?"
"Oh nein, bitte entschuldigen Sie! Nein, ich frage nur, weil ich es in meiner Unerfahrenheit wahrscheinlich gar nicht bemerken würde, wenn ein Herr mit mir flirtete." Wie sollte sie sich bloß aus dieser peinlichen Situation retten? "Und ich kann natürlich keinen Mann um Rat fragen, dem ich nicht vertraue", endete sie hastig.
Mr. Graham räusperte sich. "Nun, als Erstes würde ich Ihnen, glaube ich, Wein nachschenken und Ihnen Ihr Glas reichen … so. Dabei würde ich Ihre Fingerspitzen berühren …"
"Oh!"
"Dann würde ich mein Glas heben und Ihnen zuprosten, während ich Ihnen tief in die Augen schaue."
Katherine schluckte. "Und dann?"
"Ich würde Ihnen ein Kompliment für Ihre schönen Augen machen." Er hielt inne. "Soll ich fortfahren? Es wäre mir ein Vergnügen, aber meine Vorführung scheint Lord Seaton zu erzürnen, und ich …"
"Nein, vielen Dank, Mr. Graham. Das genügt." Offensichtlich flirtete Nick nicht mit ihr. Andererseits sprach die Tatsache, dass er sich über Mr. Graham ärgerte, Bände.
Während sie mit ihrem Begleiter das Speisezimmer verließ, grübelte sie über das Verhalten ihres Gatten nach. Sie konnte keine andere Erklärung dafür finden als Besitzdenken und einen ausgeprägten Beschützerdrang – eine bedrückende Vorstellung.
Doch ihre Stimmung hob sich rasch, da ein Herr nach dem anderen sie zum Tanz aufforderte. Am Ende musste sie sogar zwei Bitten abweisen, um sich vor ihrem
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