Mein Name ist Afra (German Edition)
Kräutersammeln, bei allen Arbeiten eben, die Frauensache waren, und die unsere Mutter Walburc und mich lehrte, damit wir tüchtige Meiersfrauen würden. Meine Schwester gab sich damit zufrieden, und sie verlangte nicht nach anderen Aufgaben, aber ich wollte alles kennenlernen, was zu unserem Dorf und Leben gehörte, und war deshalb auf eigenen Wunsch mit zur Heuernte gegangen. „Du hättest ein Bub werden sollen, kleine Neugierige!“ scherzte mein Vater öfter, und meine Mutter schüttelte tadelnd den Kopf über mein oft vorwitziges Betragen, das nicht immer zu einem braven christlichen Mädchen paßte.
Den ganzen langen, warmen Tag verbrachten wir so auf dem Feld, unterbrochen nur von einer Brotzeit im Schatten der großen Linden, es gab kühles Wasser aus einer kleinen Quelle für den Durst, und Brot und harten Käse, den wir in feuchte Tücher gewickelt mitgebracht hatten. Gegen Abend waren die letzten Heuhaufen auf die Wagen geladen, die Mädchen hatten das grüne Gras vom Wegrand als frisches Futter für das Vieh in vollen Körben gesammelt, und müde und verschwitzt machten wir uns auf den Weg nach Hause. Jetzt hüpfte ich nicht mehr fröhlich voraus wie bei unserem Aufbruch am Morgen, sondern trottete langsam und todmüde mit den anderen Frauen und Mädchen hinter den Ochsenkarren einher; kein Mitleid mit den Ochsen, sondern nur noch für mich selbst verspürend. Der Rechen auf meiner Schulter war so schwer, als wenn er aus Eisen wäre, und die vielen Blasen an meinen Händen brannten wie Feuer. Auch Folchaid war langsamer geworden, sie sprach lange Zeit gar nichts mehr und ihr Gesicht war blaß und eingefallen. Als Wezilo sie so sah, am Ende des Trupps, mit schleppendem Schritt und müde hängenden Schultern, ließ er den letzten Karren anhalten. „Komm, steig´ auf den Wagen, Folchaid, du hast mit dem Kind in deinem Bauch ja doppelt zu tragen,“ sagte er leise zu ihr, und als sie abwehrend die Hand hob und den Kopf schüttelte, sprang er vom Pferd, packte sie an den Schultern und schob sie einfach so dicht an den Wagen, daß Folchaid gar nichts anderes übrig blieb, als hinauf zu klettern. Die anderen Frauen waren stehengeblieben und hatten das Geschehen genau beobachtet, aber als Wezilo wieder auf seinen Schecken stieg und ihnen dabei einen langen Blick zuwarf, senkten sie die Köpfe und gingen weiter. Der Ochsenkarren setzte sich erneut in Bewegung und mein Vater ritt ganz nach vorne, um den Anschluß wieder herzustellen. Kaum war Wezilo außer Hörweite, begannen die Frauen zu tuscheln. „Na, Hilde, hast schon zwei Kinder in deinem Bauch getragen und bist noch nie wie eine Herrin auf dem Karren mitgefahren!“ flüsterte Agnes, die als ledige Magd auf dem Meierhof lebte und gerne ratschte, der dicken, blonden Frau neben ihr zu, und die sonst so gemütliche Hilde antwortete gehässig: „Ich lieg´ja auch nicht mit dem Herrn Eticho im Bett, sondern bloß mit meinem alten Adalbert, so wie es sich gehört für anständige Leute, die sich rechtmäßig verheiraten.“ „Man macht einem Mann, der als Ehemann nicht in Frage kommt, weil er im Rang weit über der Frau steht, auch keine schönen Augen und lockt ihn nicht aufs Nachtlager!“ mischte sich die alte Schmiedin jetzt ein, mit einem bösen und neidvollen Blick auf Folchaid, die vor uns auf dem Karren saß und bestimmt merkte, daß über sie gesprochen wurde, denn sie senkte den Kopf und eine leichte Röte breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Ich verstand nicht, warum die Frauen auf einmal so böse auf Folchaid waren, so ein gehässiges Gerede hatte ich von ihnen noch nie vernommen, aber die alte Schmiedin konnte ich sowieso nicht leiden, weil sie zu uns Kindern immer so süß tat und uns über alles aushorchen wollte und dann die Leute ausrichtete. Deshalb schaute ich ihr jetzt fest ins Gesicht und sagte, daß mein Vater wohl wissen werde, was er zu tun habe, und daraufhin stieß Agnes Hilde mit dem Ellbogen in die Seite und alle blickten sich bedeutungsvoll an und schauten auf mich und sagten nichts mehr.
Wir hatten jetzt wieder den Wald erreicht und wanderten schon ein gutes Stück auf fremdem Grund, als der Zug plötzlich stoppte und Unruhe entstand. Meine Müdigkeit vergessend lief ich nach vorne zu meinem Vater, dem sich auf dem schmalen Waldpfad die Haslacher in den Weg gestellt hatten. Alle vier waren sie da, der alte Sigiboto mit seinen Söhnen Utz, Chuonrad und dem kleinen Leonhard, auf schönen, rassigen Pferden, keine Arbeitstiere,
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