Mein Name ist Afra (German Edition)
Hause zu haben. „Na, Afra, noch nicht müde genug für die Bettstatt?“ lächelte mir mein Vater zu, und ich drückte ihm einen Kuß auf die Backe und streichelte kurz über Ludo, bevor ich mich auf den Weg zu Folchaid´s Hütte machte.
Das kleine Haus lag hinter der mächtigen Dorflinde, ein Stück die Pitenach hinab, neben einem dichten, schöngewachsenen Hollerbusch, und als ich die sperrige Holztür aufstemmte, kam mir der Rauch des Herdfeuers und das Greinen des kleinen Eticho´s entgegen. Eine alte Magd, die die Kleinkinder versorgte, wenn die Frauen bei der Feldarbeit mithalfen, stand am Herd und rührte in einem eisernen Topf; der beißende Rauch des Feuers hing im ganzen Raum und fand nur schwer seinen Weg nach draußen, hinauf in den First und durch das strohgedeckte Dach ins Freie. Ich mußte husten, und Folchaid, die gerade ihr jüngstes Kind wickelte und mit dem Rücken zu mir stand, wandte mir ihr besorgtes Gesicht zu.
„Afra! Rasso und Richlint sind noch nicht zurück, und es ist schon gleich dunkel!“ rief sie mir entgegen, und ich versuchte, sie zu beruhigen. „Da ist nichts passiert, Folchaid, mach´ dir keine Sorgen, es sind ja mehrere Leute dabei, auch Männer, was soll da schon sein!“ Folchaid setzte sich auf die hölzerne Bank am Herd, die Hände im Schoß, und seufzte. „Du weißt, wie leichtsinnig Richlint oft ist, wenn sie ihren eigenen Weg geht und nicht bei den Anderen bleibt, da sind giftige Schlangen im Filz und wilde Bären im Wald und sie träumt gerne vor sich hin und gibt auf nichts acht!“
Während Folchaid so über Richlint klagte, waren von draußen Rufe und das laute Poltern eines Wagens zu hören, das mußten sie sein, und ich lief erleichtert zur Tür, um sie für die Ankommenden aufzuhalten. Rasso kam zuerst herein, mit schmutziger Kleidung und verdreckten Händen, und sein mit brauner Erde beschmiertes, ganz schwarzes Gesicht war müde und sehr ernst. „Mutter,“ begann er zu sprechen, und da war Folchaid schon mit einem Aufschrei aufgesprungen, denn Richlint war hinter Rasso in die Hütte getreten, und ihr Anblick war erschreckend. Klein und mager stand sie da, in ihrem einfachen Hemd, sie zitterte am ganzen Leib, konnte kein Glied ruhig halten. Ihr rechtes Auge war geschlossen, die Lider dick und rot angeschwollen, und über der Augenbraue klaffte eine offene Wunde, aus der anscheinend Blut über ihr Gesicht gelaufen und jetzt getrocknet war. Sie brachte kein Wort heraus, stand nur bebend da und schaute uns an.
Folchaid packte Richlint an der einen Hand und ich an der anderen, so zogen wir sie auf die Herdbank, und während ich mich zu Richlint setzte und ihr ununterbrochen beruhigend über den Arm streichelte, holte Folchaid eine Schüssel mit warmem Wasser vom Herd, mischte eine Handvoll getrockneter Kräuter, die sie in einem Weidenkorb über ihrer Bettstatt aufbewahrte, darunter, und begann, die Wunde auf Richlint´s Stirn vorsichtig auszuwaschen.
„Was war los, Rasso?“ fragte sie in eindringlichem Ton ihren Sohn, über ihre Schulter hinweg warf sie ihm dabei einen dunklen Blick zu, der nichts Gutes verhieß. Der große, schlanke Rasso lehnte erschöpft mit dem Rücken an der Tür und schaute seiner Mutter zu, wie sie Richlint versorgte. „Es war ihre Schuld, Mutter, es war wirklich ihre Schuld, aber Wichard hat die Fassung verloren, du weißt doch, wie unbeherrscht er ist, er hat sie mit der Faust ins Gesicht geschlagen.“ Rasso wußte, daß Folchaid alles ganz genau wissen wollte, und so erzählte er der Reihe nach. „Wir sind kurz nach euch aufgebrochen, zum schwarzen Moorsee hinaus, Ternod, Eberolf und ich, und dann die Mädchen, die Beeren pflücken sollten, wie´s die Meierin befohlen hatte. Wiggo von der Burg hat uns angeführt, das tut er ja gern, Anführer spielen, und er hat jedem gesagt, was er zu tun hat und wo er hingehen soll. Wir Männer haben Torf gestochen, es war heiß und schwere Arbeit, und um die Mädchen haben wir uns nicht viel gekümmert. Als es dann höchste Zeit zum Aufbruch war, denn es ist ein gutes Stück nach Hause, waren die anderen Mädchen alle da, mit Körben voll roter und schwarzer Beeren, alle, nur Richlint war nirgends zu sehen. Wir haben nach ihr gerufen und gepfiffen und bestimmt eine ganze Weile gesucht, schon in Angst, daß ihr etwas geschehen sein könnte. Bis Wichard sie dann gefunden hat, im Wäldchen beim Moorsee, beim Beerenpflücken, aber mit völlig leerem Korb.“
Rasso holte tief Luft und fuhr
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