Mein Name ist Afra (German Edition)
kräftigen Beine der über ihm stehenden Frau und machte keinerlei Anstalten zu gehen. „Du hast mir noch nicht alles erzählt, Richlint!“ sagte er nachdenklich, packte sie an ihrem fleckigen Rock und zog sie wieder neben sich auf die Bank herunter. „Was ist geschehen, als ihr Frauen von eurer Wallfahrt zurückgekommen seid? Hat Chuonrad dich nicht mehr ins Haslach gelassen, oder bist du aus freiem Willen im Dorf geblieben, wie manche fleißige Zungen behaupten? Und du hast mir auch nicht berichtet, wie du dir dein weiteres Leben vorgestellt hast oder wie dein Muntwalt Graf Roudolf die Sache seiner Brudertochter sieht! “
Richlint lachte den kleinen Mann fröhlich an. „Du willst alles ganz genau wissen, Hildeger, wie bei jedem tüchtigen Händler gehören Neuigkeiten und Gerüchte bei dir zum Handwerk! Hör´ gut zu, ich werde dir erzählen, was bei unserer Rückkehr geschah, und daß ich darüber nicht unglücklich gewesen bin, bleibt wohl besser ein Geheimnis unter uns zweien! Der Meier von Pitengouua, Afra´s Mann Leonhard, empfing uns mit ernster und besorgter Miene im Dorf, und er teilte mir mit dürren Worten mit, daß Chuonrad mich wegen meiner Unfruchtbarkeit verstoßen und die Ehegemeinschaft zwischen uns aufgelöst habe, eine Rückkehr ins Haslach sei mir auf immer verwehrt. Leonhard war mit dem Entschluß seines älteren Bruders nicht einverstanden, denn er verstößt gegen die Lehren unserer christlichen Kirche, aber keiner wagte es, sich Chuonrad ernsthaft zu widersetzen, weder Leonhard, noch Utz oder Wezilo, und so streiten sie heute nur noch um die vollständige Herausgabe meiner Brautgabe, damit mein neues Leben mit ein wenig Gold und Schmuck gesichert ist.“
Richlint schaute sich um. „Diese alte, schiefe Hütte war schon einmal meine Heimat, und zu ihr bin ich wieder zurückgekehrt, und hier will ich ohne Mann in Frieden leben und mich im Dorf und bei meiner Freundin Afra nützlich machen, solange es mir möglich ist! Ich werde mich wehren, wenn Graf Roudolf mich aufs Neue vermählen will, und ich hoffe, daß kein Edelmann ein unfruchtbares und widerspenstiges Weib wie mich zur Frau ersehnt!“
Nach kurzem Nachdenken schaute Richlint den freundlichen Händler flehend an. „Mir wäre es lieber, wenn die Leute weiter an mein Unglück glauben und Chuonrad für einen harten Mann und mich für eine unschuldig Verstoßene halten würden, denn niemand versteht eine Frau, die nicht verheiratet sein will, und wenn ich als arm und verlassen gelte, dann sind sie freundlich und gut zu mir und bedauern mein Los. Und deshalb bitte ich dich von Herzen, Händler Hildeger, mit keinem Menschen darüber zu sprechen, daß ich so lustig und guten Mutes bin, und unendlich froh darüber, dem finsteren Schnaitbergtal entkommen zu sein! Immer habe ich mir gewünscht, frei und allein zu leben wie Justina im Gutshof, und ich glaube, daß meine Träume jetzt in Erfüllung gehen, denn hier in Pitengouua schmeckt mir das Wasser vom Bach wie der süßeste Wein in der Stube des Haslachhofes!“
Hildeger nickte und legte zur Bekräftigung seines Versprechens eine breite Hand auf die schmalen Finger der jungen Frau, und er erinnerte sich an das nächtliche Gespräch der noch ledigen Mädchen, das er vor einigen Jahren im Meierhof belauscht hatte, und wie unglücklich Richlint damals über die Verlobung mit dem Sohn des Haslachbauern gewesen war.
„Meine Lippen werden verschlossen sein, Mädchen, sei beruhigt, aber denke auch an meine Warnung wegen der Dornauerin und halte dich in Zukunft zurück, denn ein wirklich freies Leben gibt es hier im Dorf ganz sicher nicht, und als allein lebende junge Frau wird dein Verhalten immer beobachtet und besprochen werden, dessen mußt du dir bei all deinen Handlungen und Reden bewußt sein! Der Schutz eines Mannes fehlt dir, und deshalb ist es wohl auch besser, wenn ich mich jetzt zurückziehe und Leonhard aufsuche, damit man dich nicht eines unerlaubten Verhältnisses mit einem alten Mann zeiht, wenn man uns beide hier so traulich beieinander sitzen sieht!“
„Ich danke dir, Hildeger, für das versprochene Schweigen und deine Sorge um meine zukünftigen Aussichten!“ Richlint war aufgestanden und hatte beide Hände des Händlers mit ihren schwarzen Fingern ergriffen. „Aber du brauchst keine Angst um mich zu haben, denn es wartet noch Freude auf mich und ein großes Glück, das hat mir nicht nur meine schwarzhaarige Freundin Justina versprochen, die alle Geheimnisse dieser
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