Mein Name ist Afra (German Edition)
aber sie fuhr mit ruhiger Stimme fort. „Du mußt wissen, Hildeger, daß ich im Haslach nicht einen einzigen Tag glücklich war und mich noch nie mit meinem Mann verstanden habe. Trotzdem habe ich meine Arbeit sorgsam verrichtet, die Mägde beaufsichtigt, seine alte Mutter gepflegt, das Essen bereitet und Haus und Hof in Ordnung gehalten, er kann mir nichts vorwerfen, denn ich habe da draußen im Schnaitbergtal von früh bis spät hart gearbeitet! Aber ich habe ihm kein Kind geboren, und obwohl im Haslach einige Kinder von Chuonrad herumlaufen, so sind es doch keine Erben für seinen Hof, denn es sind die Bälger von Mägden, von Leibeigenen, von Sklavinnen, die er geschwängert hat, und sie sind genauso unfrei wie ihre Mütter. Ich wußte schon lange von dem Gerücht, daß mein Mann mich verstoßen wolle, als an einem grauen Novembertag mein Bruder Rasso zu uns ins Tal geritten kam, mich vor Chuonrad´s Absichten warnte und uns allen mitteilte, daß er als Mönch ins Kloster gehen werde. Nun wird mein Ehemann nicht mehr lange zögern und mich vom Hof verjagen, dachte ich, denn kein streitbarer Bruder wird mich mit dem Schwert verteidigen und meine Ehre bewahren, aber Chuonrad hielt sich vor mir zurück, lag fast jede Nacht mit seiner Lieblingsdirne im Heu, den ganzen Winter lang, und er rührte mich kein einziges Mal mehr an.“
Richlint lachte kurz und voller Verachtung auf. „Das kam mir sehr gelegen, denn ich hasse seinen stinkenden Körper auf dem Strohlager neben mir, und nur das alltägliche, endlose Jammern seiner alten Mutter über diesen Zustand war für mich schwer zu ertragen.“
Für einen kurzen Moment hielt sie inne und dachte über die langen Winterwochen nach. „Wir waren so eingeschneit in diesem Jahr wie schon lange nicht mehr, wochenlang war kein Kirchgang am Sonntag und kein Besuch bei Justina für mich möglich, der Schnee lag mannshoch um die Häuser und hinderte die Männer sogar an der Jagd. Chuonrad verhielt sich so gleichgültig und gelassen mir gegenüber, daß ich Angst bekam, denn er war völlig verändert in seinem sonst herrischen Wesen, und du kannst dir vorstellen, Hildeger, wie erstaunt ich war, als er sich trotz der schlechten Witterung auf den Weg nach Pitengouua machte und mit Grüßen und Geschenken von meiner Freundin Afra ins Haslach zurückkehrte. Sobald die Schneeschmelze eintrat, sollte ich mit Afra eine Wallfahrt nach Augusburc machen, um am Grab der Heiligen für meine Fruchtbarkeit zu beten und zu opfern, der Meier sei einverstanden, daß seine Frau mit mir ginge, und dann würde sich wohl alles zum Besten wenden!“
Hildeger kratzte sich gedankenvoll an seiner breiten Nase. „Er wollte dich und die Meierin aus dem Weg haben, wenn er die Trennung vollzog, dieser schlaue Hund, mit seinen Brüdern Leonhard und Utz und der gebrechlichen Mutter würde er schon fertig werden, denn er ist der Älteste der Söhne und der Herr im Haslach, sein Wort ist dort Gesetz, wie beim alten Sigiboto!“
Richlint nickte zu den Worten des Händlers und fuhr mit ihrem Bericht fort. „Als die nach sechs Ehejahren immer noch kinderlose Liutbirc von der Wallfahrt erfuhr, beschloß sie, mit Afra und mir nach Augusburc zu gehen, und bereits in den ersten Frühjahrstagen brachen wir mit einigen bewaffneten Knechten und zwei jungen Mägden für die Leibdienste auf. Es war kein gutes Vorwärtskommen möglich, denn die Wege waren voller Schlamm und Steinen, durchtränkt und überflutet vom Tauwasser des langen Winters, und an vielen Stellen lagen noch ansehnliche Schneereste. Eine Wallfahrt zu dieser Jahreszeit ist wahrlich kein Vergnügen, Händler Hildeger, denn kein Pferd oder Ochse darf mitgeführt werden, nicht einmal ein Karren für unsere Kleidung oder die Opfergaben, sondern den ganzen, langen Weg müssen die Bittsteller auf ihren eigenen Füßen laufen und dabei ihr Gepäck selber tragen, die begleitenden Knechte waren nur zu unserem Schutz vor Räubern und Wegelagerern dabei.“
Hildeger schwieg und hörte aufmerksam zu. „Du kennst doch Liutbirc von Dornau auch schon seit ihrer Kindheit?“ sagte Richlint mit einem fragenden Seitenblick auf Hildeger, und als dieser bestätigend nickte und ein anzügliches Grinsen auf seinem runden Gesicht erschien, lächelte sie kurz und erzählte weiter. „Vom ersten Tag an mußten wir ihr Gejammere anhören, Afra und ich, denn Liutbirc hält sich schon immer für etwas Besseres als wir Dorfkinder, weil sie oben auf der Burg aufgewachsen ist
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