Mein Name ist Afra (German Edition)
verschonen, da ist auch das möglich, was vorher undenkbar gewesen wäre!“
Müde vom Genuß des starken Weins und mehr als zufrieden mit dem guten Handel hing Hildeger nicht länger seinen Gedanken nach, sondern machte es sich in einer Ecke des Karrens gemütlich und befingerte mit Vergnügen die klingenden italischen Goldmünzen in seinem Lederbeutel, mit denen Arpad Wein und Salz so überreichlich bezahlt hatte. Dann schlief er ein, mit weit offenem Mund schnarchte er auf einer Filzdecke und wachte nicht einmal auf, als der Junge beim welschen Gut aus dem Wagen sprang und ihn laut und fröhlich zum Abschied grüßte. Erst kurz vor dem Dorf kam der Händler wieder zu sich, denn Richlint rüttelte unerbittlich so lange an seiner Schulter, bis er sich widerstrebend aufgesetzt hatte und unter lautem Klagen seinen schweren Kopf mit beiden Händen festhielt. „Was willst du, Weib?“ knurrte er unfreundlich, „wir sind noch nicht im Dorf angekommen, da hättest du mich ruhig noch schlafen lassen können!“
Die junge Frau schaute dem dicken Händler beschwörend in die Augen. „Es ist wichtig, Hildeger, sonst hätte ich dich nicht geweckt! Vor einigen Jahren, nach meiner Trennung von Chuonrad, da habe ich dich schon einmal gebeten, mich nicht zu verraten und nicht über meine wahren Gefühle zu sprechen, und du warst still wie ein Stein und hast mir die Treue gehalten, dafür bin ich dir dankbar! Heute bitte ich dich noch einmal, für mich zu schweigen und sogar zu lügen, denn wenn dich jemand fragt, dann sollst du sagen, daß du mich bei Justina im Gutshof angetroffen und von dort mit nach Pitengouua genommen hast!“
Hildeger war jetzt hellwach. „Die Dorfleute wissen nichts von deiner Liebschaft mit dem Ungarnführer, habe ich recht? Und eine bairische Frau, die mit einem Barbaren zusammenliegt, aus freiem Willen und ohne jeden Zwang, die benimmt sich ungehörig und ist eine Schande für das ganze Dorf!“
Richlint packte den Händler am Arm. „Arpad ist kein heidnischer Wilder! Er stammt aus einem uralten Fürstengeschlecht und wurde schon als Wickelkind getauft und von seinen Eltern im christlichen Glauben erzogen, er ist klug und gebildet, er spricht mehrere Sprachen und kann sogar ein wenig lesen, genauso wie der Mönch, der für unseren Grafen liest und schreibt! Mehr als nur eine Liebschaft verbindet uns beide, denn wenn dieser Bruderkrieg vorbei ist und die Ungarn mit Reichtümern beladen in ihr Land zurückkehren, dann werden wir heiraten, Arpad und ich, und ich werde als seine Frau und als Herrin seines Volkes mit ihm ins Steppenland ziehen!“
Ungläubig schüttelte Hildeger seinen kahlen Kopf. „Richlint, Richlint! Du darfst doch einem fremden Krieger nicht deine Liebe und dein Vertrauen schenken, sicher warten in seiner Heimat Frau und Kinder auf ihn und du wirst dort nur seine rechtlose Friedelfrau sein! Oder er verläßt dich, wenn der Kriegszug vorüber ist, und du bleibst für immer entehrt unter den Dorfleuten zurück! Diese wilden Nomaden sind nicht wie wir, sie kennen weder Recht noch Ordnung, kein königliches Gesetz und kein Gebot Gottes hindern sie bei ihren abscheulichen Taten, und wer sich mit ihnen näher einläßt, der wird es irgendwann bitter bereuen!“
Spöttisch lachte Richlint auf. „Und du hast dich nicht mit ihnen eingelassen, als du heute von Arpad Goldmünzen für Wein und Salz genommen und einen Becher nach dem anderen mit seinen Kriegern geleert hast? Und Arbeo von Dornau, Chuonrad von Haslach und der Meier von Pitengouua, sie beratschlagen und verhandeln mit den Ungarn und ziehen Seite an Seite mit ihren Reitern gegen den König, ist das etwa kein Bündnis mit fremden Kriegern?“
Nachdenklich schaute Hildeger in das aufgewühlte Antlitz der jungen Frau. „Ich meine es gut mit dir, Richlint, und ich fühle mich im Gedenken an deine schöne Mutter Folchaid verpflichtet, dich zu warnen und dir vor Augen zu stellen, welch bitteres Ende so ein heimliches und verbotenes Verhältnis mit einem wilden Barbaren für dich nehmen kann! Bleib´ im Dorf und halte dich von diesem Lager fern, das rate ich dir, und schlag´ dir diesen fremdartigen Mann aus dem Kopf, denn er wird dir nichts als Unglück bringen!“
Mit einem plötzlichen Ruck hatte der Karren gehalten, denn sie waren beim südlichen Tor von Pitengouua angelangt, das bereits für die Nacht geschlossen und verriegelt worden war. Die lauten Rufe der beiden Sklaven des Händlers, man möge das Tor für Hildeger und
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