Mein Name ist Afra (German Edition)
Seide, der bis über die Knie reichte und in der Leibesmitte von einem mit Gold und Silber beschlagenen, glänzenden Gürtel zusammengehalten wurde, und dazu hohe Stiefel mit einem weichen Schaft aus hellbraunem Ziegenleder. Seine bloßen Arme waren kräftig und stark, über und über mit in die Haut eingeritzten Zeichen und Bildern bedeckt und mit Ketten und Bändern aus Gold umwunden, und das Gesicht mit den hohen, breiten Backenknochen und den leicht schräg stehenden Augen und buschigen Brauen wirkte durch eine steil in die Mitte der Stirn eingegrabene Falte streng und unnahbar. Das glatte, dunkelbraune Haar hatte Arpad im Nacken mit einem geflochtenen Lederband zusammengebunden, und in dem mehrfach durchstochenen Ohrläppchen auf der linken Seite des Kopfes funkelten kleine, mit Juwelen besetzte Goldringe. In der rechten Hand hielt er einen flachen Pferderiemen, mit dem er laut klatschend gegen seine Schenkel schlug, und seine tiefschwarzen Augen starrten dem kleinen Händler ausdruckslos ins runde Gesicht.
Hildeger war nicht wohl in seiner Haut, und er begann noch mehr zu schwitzen, als der Ungarnführer in bairischer Sprache das Wort an ihn richtete. „Du bist Händler und führst Wein und Salz mit dir? Gib´ mir einen Becher voll zu kosten, und wenn dein Wein süß und weich ist und kein saures Gesöff, bei dem sich die Zunge aufrollt und der Kopf schwindelt, dann nehme ich dir deine gesamte Ladung ab und entlohne dich reichlich!“
Aus dem Munde dieses fremdartigen Mannes klangen die bairischen Worte seltsam gedehnt und unbekannt, obwohl sie ganz deutlich zu verstehen waren, und während der Händler eilig einen Becher aus den Falten seines Gewandes nestelte und ihn aus einem über seiner Schulter hängenden Lederschlauch mit rotem Wein füllte, wunderte er sich darüber, daß ein wilder und ungebildeter Barbar aus dem Osten dieser Sprache mächtig war und sie verstand. Unterwürfig reichte er den fast überschwappenden Becher an Arpad und wartete gespannt auf dessen Entscheidung, und als der barsche Ungarnführer zustimmend nickte, nachdem er getrunken hatte, fiel dem kleinen Händler ein Stein vom Herzen, und er rief mit lauter Stimme nach seinen Sklaven, damit sie alle Waren vor das Zelt von Arpad brachten und der Handel beginnen konnte.
Ein so leichtes und schnelles Geschäft wie mit dem Anführer des ungarischen Trupps am Ufer der Lecha hatte Hildeger in seinen vielen Jahren als herumziehender Händler noch nicht gemacht, denn Arpad nahm ihm den gesamten Weinvorrat und drei Säcke voll Salz ab und zahlte ohne zu zögern den ersten Preis, den der kahlköpfige Mann nannte. Dann bestand der Ungarnführer darauf, daß Hildeger mit ihm und seinen Männern auf den guten Handel trinken sollte, einen Becher voll süffigem Rotwein nach dem anderen, und als sich der Händler kurz vor Einbruch der Dämmerung endlich von den lustig singenden und reichlich betrunkenen Barbaren im Zeltlager verabschiedete, um weiter nach Pitengouua zu fahren, schwankte auch er bedrohlich und mußte von seinen Sklaven mit vereinten Kräften auf den fast leeren Karren gehievt werden.
Richlint und der kleine Junge hatten neben dem Wagen auf den dicken Händler gewartet, denn die junge Frau wollte zurück in ihr Dorf und Riwin heim zu seiner Mutter Justina, und in Begleitung von Hildeger und seinen Knechten konnten sie den Weg durchs Weinland und entlang der Pitenach schneller und sicherer zurücklegen. Als der Holzkarren endlich anfuhr, tauschten Richlint und der mit verschränkten Armen breitbeinig vor seinem Zelt stehende Arpad einen so langen und innigen Abschiedsblick, daß Hildeger keinerlei Zweifel mehr darüber spürte, in dem Anführer der Barbaren und der geschiedenen Frau des Haslachbauern ein Liebespaar vor sich zu haben. Schon vorher war ihm aufgefallen, daß die ungarischen Krieger voll Ehrerbietung zurückwichen und den Weg frei machten, wenn die junge Frau vorbei ging, und daß sich Richlint so sicher und gelassen im Lager bewegte, als ob sie eine Frau dieses Volkes sei. „Ob die Leute in Pitengouua von dieser Liebschaft überhaupt etwas wissen?“ fragte sich der Händler, während der Wagen langsam die Böschung hinauf rumpelte, „ich kann mir nicht vorstellen, daß der alte Wezilo oder Afra, deren Mutter von diesen Barbaren grausam ermordet wurde, so eine Verbindung gut heißen! Aber in diesen seltsamen Tagen, in denen die ehemaligen Feinde plötzlich Verbündete sind und den Ambragau mit ihren Überfällen
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