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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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Mütter und den kleinen Bruder von Richlint getötet hatten und das schlimmste Ungeziefer unter den Menschen waren, und ich beteuerte der Magd und mir selbst voller Inbrunst und Überzeugung, daß die Leute dummes und böses Zeug über meine Freundin reden und sich in dieser Sache vollkommen täuschen würden. So aufgebracht und empört war ich an diesem Sonntag hinter der Kirche, daß die junge Gisel mir nicht weiter zu widersprechen wagte und schließlich mit gesenktem Kopf zu den Kindern schlich, und ich selbst wollte niemand in die Augen schauen und ging für den Rest des Tages allen aus dem Weg, ganz besonders der redseligen Liutbirc und meiner Freundin Richlint.
    Wenn ich sie damals einfach auf das Gerede der Leute und die Gerüchte über ihre Liebschaft angesprochen und sie mir dann die Wahrheit gesagt hätte, wäre der Riß in unserer Freundschaft vielleicht nicht so tief und der Stachel des Mißtrauens in meinem Herzen nicht so spitz gewesen, aber ich deckte die Befürchtungen und Sorgen in mir zu und gab mich ahnungslos, und Richlint war beherrscht und verschwiegen wie in all den vergangenen Monaten und öffnete sich mir nicht.
    Die kurzen Tage und die langen Nächte dieses Winters reihten sich scheinbar endlos aneinander, und durch Eis und Schnee drangen kaum Neuigkeiten über den Stand der Fehde zwischen Herzog Liudolf und dem König oder über den Verbleib der Ungarn bis zu uns nach Pitengouua. Wie immer in den Wintermonaten waren wir von der kalten Witterung eingeschlossen und ganz auf uns gestellt, und nur selten kam ein Reiter aus dem Haslach oder von der Dornau ins Dorf und brachte etwas Abwechslung in die eintönige Zeit nach dem Weihnachtsfest und den Rauhnächten. Richlint und ich sahen uns kaum in die Augen und hatten wenig miteinander zu reden, und mein Vater lag mit seinen alten Knochen siech und krank auf dem Strohlager und spürte schon den Tod. Statt gemeinsamer Feiern im Meierhof mit warmem Kräuterwein und lustigen Geschichten von früher knieten wir auf Geheiß des frommen Wezilo betend in der Stube, und unsere Fürbitten an den Allmächtigen um Frieden und eine gute Ernte und um Gesundheit für den Altmeier erklangen bald jeden Abend.
    Doch in den letzten Wochen des Februar wurde das Wetter endlich milder und der Schnee begann zu tauen, und wir bereiteten alle miteinander nach uraltem Brauch ein lautes und fröhliches Fest, mit dem der kalte Winter unwiderruflich ausgetrieben und der milde Frühling herbei gelockt werden sollte. Meinem alten Vater ging es dank unserer Gebete und der warmen Witterung wieder besser, und als Justina´s Sohn Riwin auf einem Pferd seines Vaters Arbeo am frühen Morgen ins Dorf geritten kam und Richlint und mir mitteilte, daß seine Mutter uns dringend zu sehen wünschte, kamen wir dieser Aufforderung gerne nach und waren froh, Pitengouua für einen ganzen Tag verlassen zu können und endlich ein anderes Gesicht zu sehen. Der elfjährige Riwin war ein sehr selbständiger und kräftiger Junge, mutig und ganz allein machte er sich über die alte Römerbrücke auf den beschwerlichen Weg nach Dornau, weil die breite Furt der Lecha unterhalb des Weinlandes wegen des Schmelzwassers der Gletscher nur im Sommer benutzt werden konnte, und Richlint und ich bestiegen zusammen die brave Stute des Meierhofes und ritten in die andere Richtung zum welschen Gut hinaus.
    Als ich Justina´s schmale Gestalt wartend bei der Mauer stehen sah und in ihre schwarzen Augen blickte, die dunkel und geheimnisvoll wie ein abgrundtiefer Brunnen waren, da spürte ich so deutlich ihre Liebe für Richlint und mich, daß mir ganz warm ums Herz wurde und ich wie ein kleines Kind meine beiden Hände suchend und fordernd zugleich nach den ihren ausstreckte, um für immer geborgen zu sein. Ich wußte in diesem Augenblick, daß sie uns nur zu sich gerufen hatte, um meiner Freundin und mir zu helfen und uns wieder miteinander zu versöhnen, und es verwunderte mich nicht, denn immer schon hatte Justina genau gespürt, was zwischen uns vorging, und immer schon hatte ihr Verständnis und ihre Liebe für uns beide gereicht. Obwohl sie mittlerweile eine ältere Frau mit aschgrauen Strähnen in den tiefschwarzen, fast bodenlangen Haaren war, hielt Justina sich aufrecht und biegsam, und nur ihr magerer Körper wirkte unter der Last der schweren Haarpracht noch zerbrechlicher als früher. Um die dunklen Augen hatten sich im Lauf der vergangenen Jahre viele, kleine Falten eingegraben, wie zwei lose gebundene

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