Mein Name ist Afra (German Edition)
Müttern, weil sie sich trotz unserer feierlichen Gelübde mit einem ungarischen Feind eingelassen hatte, und ich wußte doch, daß nur dieser fremde Mann ihrer Liebe würdig war und sie nicht anders handeln konnte. Die heißen Tränen in meinen Augen waren zugleich die in vielen einsamen Nächten geweinten Tränen meiner Freundin, und als Richlint im Wasser aufstand und mich in ihre Arme schloß, naß und nackt und unschuldig, da erkannte ich endlich, daß sie ein Kind dieser Liebe unter ihrem Herzen trug und sich und das Ungeborene mit dieser Umarmung meiner Freundschaft anvertraute.
Die Frau an meiner Seite war schöner als je zuvor, mit ihren vollen, empfindsamen Brüsten und den durch die helle Haut schimmernden wasserblauen Adern, mit ihren leicht gerundeten Hüften und dem schmalen Gesicht mit den strahlenden Augen voller Zärtlichkeit, und ich erkannte eine neue und sanfte Richlint, die nicht mehr aufbegehrte, sondern ihr Glück und ihre Liebe gefunden hatte. Eine feine, braune Linie lief vom Nabel bis zur dunklen Scham herunter über ihren schon zart gewölbten Leib und verkündete deutlich die Schwangerschaft, und ich versprach Richlint und ihrem ungeborenen Kind meine Liebe und Fürsorge für alle Zeiten dieser Welt.
„Aber ich werde nicht in Pitengouua bleiben, Afra! In der Mitte des Sommers wird mein Kind geboren werden, und dann ziehe ich mit Arpad nach Osten zu seinem Volk und beginne dort ein neues Leben!“ Ich spürte wieder den Stachel der Eifersucht und dunkle Schatten der Angst in meinem Innern, doch Richlint packte mich fest an den Schultern und zwang mich, in ihre goldbraunen Augen zu schauen.
„Im Lager an der Lecha habe ich mich wohl gefühlt, obwohl ich dort die einzige Frau unter lauter barbarischen Kriegern war, und ich bin von diesen wilden und ungestümen Männern mit Hochachtung und Ergebenheit wie eine richtige Herrin behandelt worden. Es macht mich unendlich traurig, Afra, dich und Justina für immer zu verlassen und in ein fremdes Land zu gehen, aber hier im Ambragau bin und bleibe ich die geschiedene Frau des Haslachbauern und die uneheliche Tochter eines Welfengrafen, von vielen verachtet und mit Spott bedacht, und dort in den herrlichen Weiten der ungarischen Steppe werde ich eine Königin sein und brauche mich vor niemand mehr zu fürchten!“
Und mit begeisterten Worten erzählte uns Richlint von ihrem einflußreichen Mann und der zukünftigen Heimat, und mit jedem Satz und jeder Silbe von ihr erkannte ich, wie sehr sie Arpad vertraute und sich auf ein anderes Leben freute. Sie berichtete uns vom unendlichen grünen Grasland und den tiefblauen Seen der ungarischen Steppe, von riesigen Viehherden und den gleichmäßigen Wanderungen zwischen Sommer- und Winterweiden, von den Hirten, die durch das Treiben und Zusammenhalten des Viehs und die nächtlichen Wachdienste zu den besten Kriegern unter der Sonne erzogen wurden, und vom schier unglaublichen Reichtum ihrer neuen Sippe, die durch unzählige Kriegszüge nach Italien, Baiern und ins Frankenreich Gold und Sklaven zuhauf erbeutet hatte. Sie sprach von der Offenheit und Liebenswürdigkeit der ungarischen Menschen, von ihrem unbedingten Gehorsam und der gänzlichen Ergebenheit bis in den Tod hinein den Führern des Volkes gegenüber, von uralten Ritualen und Zeremonien mit magischer Bedeutung, vom heidnischen Glauben an das blutige Opfer der weißen Pferde und den sagenumwobenen Riesenhabicht Turul, und von den längst vergangenen Zeiten der Stammutter Emese und dem göttergleichen Fürstenhaus der Arpaden, das aus deren Schoß hervorgegangen war und dem auch Richlint´s Geliebter angehörte.
Das Wasser im steinernen Becken war während Richlint´s lebhafter Erzählung kalt geworden, und ich stieg mit steifen Gliedern aus der Wanne und zog meine Kleider wieder an. „Und wenn Herzog Liudolf und mit ihnen die ungarischen Reiter den Krieg gegen König Otto verlieren?“ fragte ich leise, „die Rache des Königs wird keinen der Aufständler verschonen, und schon gar nicht die wilden Barbaren, die seit alters her unsere Feinde gewesen sind! Dann ist Arpad´s Leben und auch das deine in höchster Gefahr, denn die Pitengouuer werden wieder ihrem früheren Herrscher gehorchen und keinen einzigen Feind verschonen, der sich im Ambragau aufhält, und auch du und dein Kind werden dann zu ihren Feinden gehören und vom Tode bedroht sein.“
Im Baderaum mit den farbenfrohen, wie lebendig wirkenden Malereien an den Wänden herrschte
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