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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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einmal über die an der Lecha lagernden fremden Reiter mit mir reden. Mit wenigen Worten tat sie meine Befürchtungen über unser aller Zukunft ab und redete nur noch von alltäglichen Dingen wie der Färberei oder dem Gemüsegarten, und es schmerzte mich sehr, daß Richlint mir ihre wahren Gedanken und Gefühle nicht mehr anvertraute. Aber nicht nur das Verhalten meiner Freundin mir und den anderen Leuten gegenüber, sondern auch ihre Erscheinung hatte sich gewandelt, denn ihr Gang war aufrechter und dabei weicher geworden, geschmeidig und federnd wie der einer Lüchsin mit empfindsamen Pfoten, und ihre goldbraunen Augen glänzten so hell und strahlend in dem blassen, schönen Gesicht, als ob beständig eine Kerze darin flackerte.
    Nicht nur der scharfäugige Wezilo, sondern auch Leonhard und die Mägde und Knechte bemerkten diese Verwandlung, und ich sah die verstohlenen Blicke, die sie meiner Freundin im Vorbeigehen nachschickten, und ich hörte in den Ecken und Winkeln des Hofes das Raunen und Tuscheln der Dorfleute. Doch ich war zu stolz, um mit meinem Mann oder mit einer einfachen Magd über Richlint zu sprechen und einzugestehen, daß ich nichts von meiner Freundin und ihren einsamen Wegen wußte, und so gab ich mich gelassen und gleichgültig, und tat so, als ob ich das heimliche Gerede und Geschau der Leute nicht bemerkte.
    Die ungarischen Reiter verließen nach einigen Wochen das Zeltlager an der Lecha und zogen weiter nach Regnesburch, und wir alle konnten uns wieder frei im Land bewegen und fühlten uns wie von einer drückenden Last befreit. Nur Richlint war ernst und ungesellig, sie verließ zwar nicht mehr für ganze Tage und Nächte das Dorf und widmete sich in ihrer alten Hütte wieder den leinenen Stoffen und der Wolle der Schafe, aber sie wollte weder mit uns feiern und lachen noch die alte Vertrautheit zwischen uns Frauen erneuern, und ich konnte sie nicht dazu bewegen, ihre Zurückhaltung aufzugeben und wieder meine Freundin und Schwester zu sein. So vergingen Spätsommer und Herbst, ohne daß ich die Wahrheit über Richlint und Arpad erahnte, und erst kurz vor dem Einbruch des Winters, als eine Abordnung der Ungarn für ein paar Tage auf unserer Burg am Meierberg lagerte, hielt ich diese selbst auferlegte Zurückhaltung nicht mehr aus und fragte voller Neugier über das Gerede der Dorfleute die kleine Gisel aus.
    Es waren nur wenige Krieger, die unter der Führung von Arpad bei Wichard auf der Burg eingezogen waren, um mit den Männern unseres Gaus noch einmal über diesen unseligen Bruderkrieg zu verhandeln, bevor sie für den langen Winter wieder in ihr eigenes Land zurückkehrten. Und wieder war Richlint kaum in Pitengouua zu sehen und ständig unterwegs, und wieder folgten ihr die scheelen Blicke und das geheimnisvolle Flüstern der Dorfleute. Als am Sonntag beim Kirchgang Liutbirc von Dornau ungewöhnlich liebenswürdig zu meiner Freundin war und sie sogar aufforderte, ganz vorne beim Altar in der hölzernen Bank neben ihr Platz zu nehmen, kam mir das mehr als seltsam vor, und ich zog die Kindsmagd Gisel nach der Messe auf die Seite und fragte sie, was die Leute denn über Richlint dachten und redeten.
    „Sie sagen, daß die Frau Richlint eine heimliche Liebschaft hat, mit dem wichtigsten Mann unter diesen Ungarn, dem Anführer Arpad,“ gab mir die kleine Magd arglos Auskunft, „und daß sich die beiden schon im Sommer immer wieder im Lager an der Lecha unten getroffen haben! Eberolf hat dort aus der Ferne eine Frau im roten Kleid herumgehen sehen, und die Graserinnen schwören hoch und heilig, daß Richlint unten an der Ambra mit einem langhaarigen Mann zusammen geritten und erst sehr spät in der Nacht durch den Zaun wieder ins Dorf herein geschlüpft ist. Aber du weißt das sicher besser, Meierin, denn du bist ja ihre Vertraute und Freundin! Ich denke mir, daß die Herrin von Dornau sich nun auch gut stellen will mit einer Frau, die mit einem reichen Mann und berühmten Krieger zusammen ist, und deshalb ist Liutbirc so ausnehmend freundlich zur Frau Richlint und sorgt vor für die Zeit, wenn der Krieg vorbei und die Friedelfrau des Barbaren vielleicht eine mächtige Frau ist!“
    Ich stand so betroffen vor der schmächtigen Gisel, als ob sie mir einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf geschüttet hätte. Es war undenkbar für mich, daß Richlint eine Liebesverbindung mit einem dieser wilden Reiterkrieger eingegangen war, mit einem dieser heidnischen Ungarn, die doch unsere beiden

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