Mein Name ist Afra (German Edition)
schwangere Hure zu holen und von uns Hilfe bei der Flucht zu erhalten. Unten am Fuße des Schneckenbichls, nahe der Lechafurt, da haben wir ihn getroffen, Bogen und Pfeil hielt er schußbereit in den Händen, und das blutbefleckte Schwert eines fränkischen Kriegers, den er wohl getötet und schändlich beraubt hat, hing an seinem Gürtel. Ohne einen Laut schlich er wie ein spitzohriger Luchs durch unseren Wald, und wir hätten ihn wohl schwerlich bemerkt, wenn er sich nicht selbst zu erkennen gegeben hätte. Doch der Ungar ließ seine Waffen sinken und kam voll Freude auf Leonhard und mich zu, als er unsere Stimmen im Dickicht hörte, und er tat wie ein Freund und hieß uns Brüder und Verbündete und reichte beide Hände zum Gruß. Da haben wir mit den Streitäxten zugeschlagen, Leonhard und ich, mit aller Kraft, und dem Feind den Schädel gespalten, so daß sein graues Hirn auf den Waldboden sickerte und er noch im selben Augenblick seinen letzten Atem aushauchte!“
Bei den frohlockenden Worten von Chuonrad sprang ich voller Abscheu über diesen heimtückischen Mord auf und stellte mich anklagend vor meinen Mann, doch er schob mich einfach zur Seite und redete mit Wezilo. „Reimbold und Lutold haben den leblosen Körper dann zur Furt hinunter geschleift und in die Lecha geworfen, wo in diesen Tagen viele tote Leiber bis zur Donua und mit ihr weiter nach Osten treiben, und so erreicht manch einer dieser ruchlosen Barbaren als aufgedunsener Leichnam sein Heimatland und warnt das Heidenvolk davor, noch einmal gegen König Otto nach Baiern oder Schwaben zu ziehen!“
Mein Vater nickte zustimmend und schlug Leonhard anerkennend auf die Schulter. „Das war richtig und gut, was du und Chuonrad für unser Dorf getan habt, mein Sohn, und auch meine Tochter Afra wird es euch angesichts ihrer unschuldigen Kinder eines Tages danken! Solange Ella und der kleine Agilolf leben, werden es die grausamen Reiterkrieger nicht wagen, noch einmal nach Pitengouua zu reiten, und wir alle können ohne Angst und in Frieden hier im Dorf beisammen sein und unsere Felder bestellen. Laßt uns Gott danken für seine Gnade!“
Wie versteinert stand ich mitten in der Stube und dachte über Wezilo´s Worte nach, und obwohl ich den hinterlistigen Totschlag an der Lechafurt verabscheute und mit Bangen Richlint und ihren Schmerz über den Tod des Geliebten vor mir sah, spürte ich doch Erleichterung und eine tiefe Genugtuung in meinem Herzen. Denn die heidnische Gefahr war nun für lange Zeit gebannt und meine Kinder und ich waren vor den Pfeilen der Barbaren sicher, und meine Mutter Rautgund, die schöne Folchaid und der liebe, alte Haimeran waren so grausam und unerbittlich gerächt worden, wie sie selbst vor vielen Jahren von den Ungarn getötet worden waren.
Chuonrad und Leonhard hatten sich an den Tisch in der Stube gesetzt und redeten mit meinem Vater, doch ich war mit meinen Gedanken beschäftigt und achtete nicht auf die Gespräche der Männer. Erst als der Name meiner Freundin fiel, wurde ich aufmerksam und hörte mit Entsetzen, was Liutbirc mit gehässiger Stimme über Richlint und ihr Kind sagte.
„Sie muß genauso sterben wie der heidnische Anführer! Hat nicht unser König verfügt, daß alle Baiern, die dem Feind helfen oder ihn verstecken, mit Stricken gebunden in der Lecha ersäuft werden sollen? Dieses schamlose Weib wird noch lange nach ihrem Geliebten rufen und seinen Leichnam suchen, und sie gebiert das Balg eines heidnischen Kriegers und wird niemals über den Vater dieses Kindes schweigen. Sollen die Männer des Königs erfahren, daß wir in Pitengouua ein Heidenkind aufziehen und eine ungarische Hure beschützen? Sie werden uns alle dafür verantwortlich machen und bitter bestrafen!“
Chuonrad nickte zustimmend zu den Worten der Gutsbesitzerin aus Dornau, und blinder Haß auf die ehemalige Haslachbäuerin war in seiner aufgebrachten Stimme zu hören. „Liutbirc hat recht! Es reicht nicht aus, wenn die Schlampe auf Knien in unserer Kirche um Vergebung fleht und dem Feind abschwört, so wie du es vorschlägst, Altmeier Wezilo! Habt ihr alle vergessen, wie stolz und hochmütig sie in ihren kostbaren Lederstiefeln durchs Dorf geschlendert ist, und wie sie im ungarischen Lager an der Lecha unter all den halbnackten Männern gehaust hat, so als ob sie schon die rechtmäßige Frau dieses heimtückischen Reiterführers wäre? Richlint hat sich gegen den König, gegen uns Pitengouuer, gegen ihr bairisches Heimatland für die
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