Mein Name ist Afra (German Edition)
bevor und die Stadt wäre endgültig verloren! Die hinterlistige Absicht der ungarischen Anführer war, den Bruderkrieg in unserem Land auszunutzen und mit Tausenden von Kriegern unseren König unwiderruflich zu besiegen, und sie wollten uns alle vernichten und töten, Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppen und unsere Städte und Dörfer und Kirchen niederbrennen. Doch der allmächtige Gott hat nicht zugelassen, daß die Heiden diese Schlacht gewinnen, und als unser König die heilige Lanze ergriff, Gott und alle Heiligen um Beistand anflehte und mutig an vorderster Stelle in den Kampf ritt, als tapferster Ritter ein Vorbild für alle Streiter, da legte Gott seine schützende Hand über den König und sein Heer und verhalf ihnen zum gerechten Sieg. Doch viele starke und furchtlose Männer mußten ihr Leben auf dem mit rotem Blut besudeltem Schlachtfeld lassen, unser Bischof verlor seinen Bruder und den Sohn seiner Schwester schon zu Beginn des Kampfes, und Arbeo klagt um seinen Bruder Aistulf, der doch noch so jung war und in der Blüte seiner Jahre stand! Und von einem Pfeil aus dem Hinterhalt getroffen wurde der Tapferste von allen, der rote Herzog Konrad, als er den Helm lockerte und sich den Schweiß von der Stirn wischte, starb er einen grausamen Tod und wurde von allen bitterlich beweint.“
Wezilo holte tief Luft. „Hast du vergessen, was die Barbaren deiner unschuldigen Mutter und den Frauen und Kindern aus Pitengouua angetan haben? Hast du vergessen, wie wir sie in ihrem Blut liegend fanden, getötet und geschändet auf unserem Grund und Boden, in unserem Land? Nein, Afra, Arpad muß jetzt sterben, wenn er nicht schon auf dem Schlachtfeld gefallen ist, er muß erschlagen werden, so wie alle diese blutdürstigen Heiden erschlagen werden müssen, damit sie niemals ihre Heimat wiedersehen und ihr Volk niemals wieder zu Beutezügen aufbrechen und Trauer und Tod in unser Land bringen kann. Als Sühne für mein Weib Rautgund und all die anderen bairischen Frauen und Männer soll Arpad getötet werden, und Richlint mit ihrem Kind muß das Dorf in Schande für immer verlassen, wenn sie sich nicht von ihrem Geliebten lossagt und auf Knien in der Kirche vor allen Pitengouuern ihr Verhältnis mit dem Feind bitter bereut und sühnt!“
Während der langen und heftigen Rede meines Vaters hatten die Kinder aufgehört zu spielen und mit großen Augen gebannt dem Altmeier zugehört, und unter den Frauen in der Meierstube fiel kein einziges Wort mehr. Sogar die fette Liutbirc mit ihrem gemeinen Mundwerk war nun still, sie hockte zufrieden über Wezilo´s strenge Worte auf meiner Herdbank und schaute mich nur hin und wieder voller Schadenfreude an.
So warteten wir schweigend auf die Rückkehr der Männer, Wezilo, Eilika, Uoda, Liutbirc und ich, und in meinem Kopf und in meinem Herzen wirbelten die Gedanken und die Gefühle wie trockene Blätter im Herbstwind durcheinander und machten mich so schwindelig, daß ich mit beiden Händen die Lehne des Hockers umklammerte und mich daran festhielt. Da war meine Freundin Richlint mit ihrem ungeborenen Kind und der Liebe zu einem Fremden, der mein Feind war, und da waren meine beiden Kinder und mein Mann und meine Familie und mein Dorf und meine Heimat, und ich fühlte mich hilflos und zerrissen zwischen diesen Menschen und wußte nicht mehr, ob ich Richlint weiter beschützen und an ihrer Seite bleiben konnte. Denn ich spürte den Haß auf die Ungarn wie Feuer in meinen Eingeweiden brennen, und ich wollte auch um Richlint´s willen meinen Mann nicht mehr daran hindern, unseren Feind Arpad zu töten, auch wenn er der Geliebte meiner Freundin war.
Es war schon spät in der Nacht, als die Männer zurückkehrten, und die Kinder schliefen längst eng aneinander geschmiegt auf der Bettstatt hinter der Feuerstelle. Ich hatte meinen Platz auf dem kleinen Schemel nicht verlassen und mich um Richlint gekümmert, sondern die ganzen langen Stunden mit meinem Vater und den Frauen auf Leonhard und Chuonrad gewartet, und als sie nun endlich in der Tür standen, fürchtete ich mich davor, in ihre Augen zu schauen und zu erfahren, was geschehen war.
„Nun ist er tot, der niederträchtige Heide, und er treibt mit den Fischen in den wilden Fluten der Lecha, so wie der gerechte Gott und unser König es wollten!“ rief Chuonrad mit lauter Stimme, kaum daß er in die Stube getreten war, „wie wir alle schon geahnt haben, hat er sich bis nach Pitengouua durchgeschlagen, um hier seine
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