Mein Name ist Afra (German Edition)
unserem Priester hören, und vor allen Dingen wollte ich nicht den mahnenden Blick meines Mannes spüren, der mich an meine eigenen Kinder und an die Verantwortung für sie erinnerte. Doch auch Justina bat mich, Richlint´s Wunsch zu erfüllen, damit meine Freundin sich beruhigte und das Kind endlich geboren würde, und so verließ ich nach einigem Zögern die stickige Hütte von Folchaid und ging langsam am Bach entlang zum Meierhof.
Im Hof steckten noch die herunter gebrannten Pechfackeln der vergangenen Nacht in der Erde, doch die Mägde und Knechte waren jetzt am frühen Abend an ihre Stallarbeit zurückgekehrt und der Platz vor unserem Haus war menschenleer. Ich stieg die Stufen zum Schopf hinauf und sah in meiner Stube Uoda, Liutbirc, Eilika und meinen alten Vater sitzen, und Ella und Agilolf spielten mit den Burgkindern und ihren Strohpuppen in der Herdecke. Doch ich sah keinen der erwachsenen Männer, weder Chuonrad noch Leonhard, noch den Schmied Reimbold oder unseren Hausknecht Lutold, und eine dunkle Ahnung schlich sich wie brennendes Gift in mein Herz und machte mir Angst.
„Wo sind die Männer?“ fragte ich mit dünner Stimme, und alle Augen wandten sich zu mir.
„Da bist du endlich, Afra,“ sagte Eilika und lächelte mich freundlich an, und Wezilo schaute unter seinen schweren Lidern forschend in mein müdes Gesicht und fragte nach Richlint und ihrem Kind. Kaum hatte ich begonnen, von der schweren Geburt und Richlint´s Angst um Arpad zu erzählen, da unterbrach mich Liutbirc mit Worten voll Häme und Triumph.
„Sie braucht sich bald keine Sorgen mehr um ihren Geliebten zu machen, die Ungarnschlampe, denn unsere Männer sind bereits im ganzen Gau unterwegs, um die Anordnungen des Königs zu erfüllen und jedem Feind, dem sie begegnen, das Schwert in die Brust zu stoßen! Unser Heer hat die Schlacht gewonnen, und es ist Richlint´s eigene Schuld, daß sie sich mit einem der feindlichen Heiden eingelassen hat und jetzt vogelfrei und ohne jeden Schutz ist! Aber was kann man von der Tochter einer unfreien Magd wie Folchaid anderes erwarten, als daß sie wie eine Hure zum nächstbesten Mann aufs Lager kriecht, auch wenn er ein Feind ihres Volkes und ein Heide obendrein ist. Die bittere Strafe des Herzogs und seiner Männer wird auch deine Richlint zu spüren bekommen, Afra, und es wäre wirklich besser für uns alle, wenn sie das Dorf für immer verlassen und ihr Name nie wieder erwähnt würde, noch bevor wir sie mitsamt ihrem Bankert im Gumpen ertränken müssen!“
Mit beiden Fäusten wollte ich auf Liutbirc losgehen, um sie hart auf den Mund zu schlagen und ihre bitterbösen Worte im Rachen zu ersticken, doch mein Vater hielt mich zurück. „Sie hat recht, Afra, du mußt es endlich einsehen, Liutbirc spricht nur aus, was alle Menschen im Dorf und im Gau befürchten! Wenn der Herzog von Richlint und ihrem Verhältnis mit einem feindlichen Anführer erfährt, dann wird er uns alle hier in Pitengouua dafür bestrafen, daß wir den Ungarn nicht gleich erschlagen und die Frau gezüchtigt haben, wie unser bairisches Gesetz es befiehlt. Richlint ist eine Frau unseres Dorfes, und wir alle, besonders dein Mann als Meier und Wichard als Burgvogt, sind für ihr Handeln verantwortlich und werden zur Rechenschaft gezogen!“
Immer noch verständnislos starrte ich Wezilo an. Mein Vater seufzte und nahm meine beiden Hände fest zwischen seine rauhen Finger.
„Richlint´s Trotz und Eigensinn und ihre Liebe zu dem ungarischen Mann werden es nicht zulassen, daß wir diese Liebschaft vor dem Grafen oder den Männern des Herzogs verheimlichen und verleugnen können, sie wird von Arpad sprechen und wieder und wieder nach ihm suchen! Afra, du warst nicht hier, als Chuonrad von der Lechfeldschlacht berichtet hat, und du hast noch nicht wirklich erkannt, was diese heidnischen Reiterkrieger uns angetan haben! Heimtückisch haben sie von hinten das Heer des Königs angegriffen, Proviant und Waffen geraubt, hunderte von unseren tapferen Kriegern erschlagen und Gefangene in ihr Lager gebracht, um sie zu Sklaven zu machen. Erst als Herzog Konrad von Lothringen mit seinen Leuten vom König geschickt wurde und ohne Zögern den blutigen Kampf mit den grausamen Barbaren aufnahm, wendete sich das Kriegsglück und die Heiden flohen zu ihrem Lager jenseits der Lecha zurück. Es waren so viele Krieger, so eine Übermacht von Feinden, daß die Augusburcer auf ihren Wehrtürmen zuerst meinten, ein neuer Sturmangriff stünde
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