Mein Name ist Afra (German Edition)
nicht, die Stadt zu verlassen, sondern befahl, die Wälle und Mauern zu verstärken und das Tor, welches zum Wasser führt, fest zu verrammeln. Dort beim Osttor begannen die Ungarn auch ihre Belagerung, genau vor zwei Tagen, und sie bestürmten uns derart, daß ich schon glaubte, sie in den nächsten Stunden in die Stadt eindringen zu sehen. Doch der Bischof gab uns Kraft und Mut durch sein Beispiel, hoch zu Roß war er immer unter den Kämpfenden und blieb wie durch ein Wunder unverletzt und unbeschadet von all den spitzen Pfeilen und schweren Steinen, die ihn umschwirrten. Und so hielten wir dem Ansturm stand, bis einer der heidnischen Anführer getötet war und seine Leute sich verwirrt und verängstigt mit dem Leichnam in ihr Lager zurückzogen.“
Arbeo hielt für einen Augenblick inne und schaute Richlint an, die mit bleichem Gesicht und verkrampften Händen aus der Dunkelheit des Hofes ins Licht der Fackeln getreten war. „Es war nicht Arpad,“ sagte er leise in ihre Richtung, und Richlint trat ohne ein weiteres Wort wieder in den sie vor den Blicken der Dorfleute schützenden Schatten zurück.
„In der folgenden Nacht tat kein Mensch in Augusburc ein Auge zu, denn der Bischof befahl uns, die Wälle wieder auszubessern und neue Wehrhäuser zu errichten, und er selbst betete auf seinen Knien die ganze Nacht über und gönnte sich nur im Morgengrauen eine Stunde Schlaf. Dann feierte er mit uns allen die heilige Messe und bestärkte uns im Glauben an Gott, der auch im finsteren Tal an unserer Seite war, und mit neuem Mut und Vertrauen stellten wir uns den angreifenden Feinden und kämpften wie Löwen. Die Ungarn aber hatten sich mit Sturmgerät und Leitern ausgerüstet, um die Mauern von Augusburc zu bezwingen, und ihre Anführer trieben die Krieger mit Geißelhieben zum Kampf, über die Leichen der gefallenen Freunde und Brüder hinweg, und das folgende Blutbad war entsetzlich. Auch bei uns gab es Tote und Verletzte, viele tapfere Männer sah ich sterben, und das Wehklagen der trauernden Frauen klang von einem Tor der Stadt zum anderen.“
„Aber Gott steht auf der Seite der Gerechten,“ ertönte die rauhe Stimme von Wezilo, „und wer an ihn glaubt, dem wird geholfen! Ihr seht doch, daß der Bischof unbeschadet geblieben ist, und dank unserer Gebete und Fürbitten wird der Ungarnsturm endlich auch an uns vorüberziehen.“
Arbeo schwieg. Betroffen hatte ich seinen Worten zugehört, und Angst um unser aller Leben und unermeßlicher Haß und heiße Wut auf die Feinde erfüllten mein Herz, und der tiefe Glaube meines alten Vaters konnte mich nicht beruhigen. Richlint und ihre Sorge um den Geliebten aber berührten mich nicht mehr, denn Arpad war ein heidnischer Ungar, wenn er sich auch Christ nannte, und er kämpfte gegen mein Volk und gegen mein Land, gegen mich und meine beiden unschuldigen Kinder, und ich würde ihm niemals verzeihen können, was seine Reiterkrieger in Baiern und Schwaben angerichtet hatten.
Doch als der Dornauer mit seinem Bericht fortfuhr, keimte eine vorsichtige Hoffnung auf den Sieg und auf Frieden bei den Menschen von Pitengouua auf, und sie lauschten aufmerksam und ohne ihn zu unterbrechen.
„Plötzlich erscholl ein lautes Hornsignal, und die Ungarn ließen auf einmal von Augusburc ab und zogen sich in ihr Lager östlich der Lecha zurück. Der Verräter Berthold, ein Sohn des Pfalzgrafen, hatte dem Heerführer der Reiterkrieger die Nachricht gebracht, daß unser König mit seinem Heer auf dem Weg nach Augusburc war, um den Feind in einer großen und entscheidenden Schlacht zu stellen, und die Heiden versammelten sich zu ihrer ganzen Stärke, um uns endgültig zu schlagen. In der folgenden Nacht schickte Bischof Udalrich seinen Bruder Dietpald und seinen Schwestersohn Reginpald mit ausgesuchten Männern zum König, damit sie seine Mannschaft verstärkten und ihm zum Sieg verhalfen, und auf Weisung des Bischofs ging ich mit ihnen aus der Stadt hinaus und erstattete in allen Dörfern und Weilern die Lecha entlang einen Bericht über die Lage, und so bin ich bis nach Pitengouua gekommen und werde morgen früh wieder aufbrechen. Denn die Schlacht wird heute am Tag des heiligen Laurentius geschlagen, auf dem Gunzenle, dem Thingplatz der Ahnen und der Richtstätte des Königs, und ich weiß nicht, wie unsere Sache steht. Denn sie waren in der Übermacht, diese unseligen Reiterkrieger, und nur mit der Hilfe Gottes und des Heiligen kann unser Heer den Kampf gewinnen!“
Die ganze
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