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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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Wind zu uns herüber, und Wezilo nannte uns dann jedesmal den Namen der Familie, die dort lebte und arbeitete, und erzählte einiges von ihr, denn er kannte sich durch sein Meieramt in der Gegend gut aus und kam mit vielen Menschen zusammen. Wir hielten uns aber nirgendwo auf und machten nur einmal eine kurze Rast, denn sonst würden wir unser Ziel, den Staphinse, nicht vor Einbruch der Dunkelheit erreichen, und ungeschützt im Freien zu übernachten war dem Meier mit all den Kindern und nur wenigen erwachsenen Männern wohl zu gefährlich.
    Während wir an diesem sonnigen, warmen Tag in gemächlichem Tempo dahinritten, denn besonders schnell waren die Ochsen mit ihren schweren Karren nicht gerade, erzählte uns mein Vater alles, was er über das Kloster und den Meierhof von Staphinse wußte und selbst schon einmal dort gesehen hatte. Er berichtete von den Mönchen und Priestern, ihrer steinernen, festen Kirche mit der reichen Ausstattung an goldenen Leuchtern und seidenen Meßgewändern, von mit Kristallen und Glassteinen verzierten kostbaren Reliquienbehältern und von der sagenhaften schweren Perlenkrone, die über dem geschmückten Altar zu schweben schien. Besonders eifrig erzählte er vom großen Meierhof auf der Insel, der viele Menschen ernähren mußte und eine eigene Mühle und eine Tuchmacherei besaß, in der vierundzwanzig Frauen den ganzen Tag arbeiteten, mit nichts anderem als dem Weben von Stoffen beschäftigt. Wezilo kannte die genaue Zahl der Tiere auf dem Hof, all die  Ochsen und Kühe mit ihren Kälbern, die Schafe mit den vielen Lämmern, die Ziegen und Böcke und Zicklein, die Schweine und Ferkel, die Gänse und Hühner; sogar einen mächtigen Bullen besaßen die Mönche. Es gab siebzehn Bienenstöcke, die reichlich Honig produzierten, und im See wurden mit großen Netzen vielerlei Fische gefangen und in Salz gewendet und in die frische Luft zum Trocknen gehängt, falls sie nicht gleich über dem Feuer geröstet und verspeist wurden. Vom Gedanken an den Geschmack der gebratenen Seefische geriet mein Vater ins Schwärmen, und bei seinen Erzählungen lief uns allen das Wasser im Mund zusammen und wir bekamen gehörigen Hunger. Erstaunlich war, daß es auf der Insel nur ein Pferd im Meierhof gab, aber Wezilo wußte, daß die freien und unfreien Hofstellen rund um den Staphinse verpflichtet waren, ungemessen Reiterdienste zu leisten, und manche von ihnen hatten ein Vorspannpferd zu stellen oder mußten mit ihren Ochsen und Rössern auf den Herrschaftswiesen Heu schneiden und einführen oder den Acker bestellen.
    Am frühen Abend erreichten wir endlich den See, und nachdem wir noch ein gutes Stück am Ufer entlang auf einem weichen Weg im Schatten gewaltiger Bäume geritten waren, konnten wir die grüne Insel im Süden, auf der das Kloster lag, bereits gut sehen. Müde und erschöpft von der vielen Sonne und dem ungewohnten Reiten waren Richlint und ich froh, vom Schecken abzusteigen und wieder auf eigenen, etwas wackeligen Füßen zu stehen, und wir setzten uns auf einen hölzernen Steg, der ein ganzes Stück in das Wasser hinaus bis zu einer winzigen Insel führte, und schauten dem Meier und den Knechten zu, die unsere Karren, die Pferde und Ochsen und die Kiste mit den Welpen in die Hütte des Fährmannes brachten, um sie dort während unseres Aufenthalts im Kloster unterzustellen. Die mitgebrachten Geschenke wurden in ein Boot verladen, und Wezilo stieg mit uns Mädchen hinein, um uns zur Insel übersetzen zu lassen. Das Schiff war nicht groß genug für alle, so daß Rasso und Wichard mit den Knechten auf dem schmalen Steg zuerst zur kleinen Insel und von dort auf engen Holzplanken nach Stephanswerth, der Klosterinsel, zu Fuß hinüberliefen. So eine lange, seltsame Brücke von einer Insel zur anderen hatte ich noch nie gesehen, und auch nicht einen so großen See wie den Staphinse, auf dem Menschen in kleinen, runden Booten herumfuhren und der anscheinend keine Begrenzung hatte, denn hinter jeder Landzunge tat sich erneut Wasser auf und schien kein Ende zu nehmen. Ich kannte nur die kleinen Seen und Weiher in der Umgebung von Pitengouua, und die aus Baumstämmen gefertigten Flöße, mit denen auf der Lecha schwere Waren befördert wurden, eine Arbeit für kräftige, erfahrene Männer. Zum ersten Mal waren wir auf einem Boot im wirklich tiefen Wasser, Richlint und ich, und unsere Neugierde auf die berühmte Klosterinsel vertrieb die Angst, die wir hatten, wenn das Boot schwankte und wir unter

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