Mein Name ist Afra (German Edition)
bestickten Umhängen folgten, alle trugen Handschuhe aus Seide, die mit Gold und Edelsteinen besetzt waren. Dahinter kamen die Mönche in grauen, einfachen Kutten, die in ihren Händen Gegenstände trugen, die für den Gottesdienst nötig waren, ein Weihrauchgefäß, einen Krug, Schüsseln für die Waschungen, ein goldenes Aschegefäß und verschieden große Tücher für den Altar, alle aus Leinen mit Goldfäden gewebt. Besonders schön waren zwei silberne Kelche, die mit einem eingravierten Flechtband verziert waren und nur an Feiertagen verwendet wurden.
Die Priester und Mönche traten hinter die steinerne, kunstvoll mit Zeichen des Heils gestaltete Schranke des Chores, wo jeder von ihnen seinen eigenen Platz hatte, nahe am Altar und getrennt von den einfachen Leuten. Der schlichte Altartisch wurde mit den schönsten Tüchern bedeckt, die wertvollen Kelche neben dem großen Kreuz darauf abgestellt und im Räuchergefäß der Weihrauch entzündet. Der würzige, satte Duft erfüllte bald den ganzen Raum, drang durch die Nase in den Kopf, brannte in den Augen und machte die beiden Mädchen ganz benommen. Wie durch dichten Nebel sahen sie die Priester in ihren weiten Gewändern hin und her gehen und die heilige Messe zelebrieren, und vor lauter Aufregung über all dies Neue, noch nie Erlebte vergaßen sie fast zu atmen und bekamen eine ganz rauhe, trockene Kehle.
Über dem Altar schwebte eine silberne, teilweise vergoldete Krone, die sehr schwer war und in deren Mitte ein kleines, vergoldetes Kreuz und ein kristallener Apfel hingen. Fünfunddreißig Perlen in verschiedenen Farben zierten diese Krone, und das schimmernde Licht der vielen Kerzen wurde von den runden Perlen, von all dem Gold und Silber und Glas auf dem Altar aufgefangen und tausendfach zurückgespiegelt.
„So ist es im Himmel!“ flüsterte das größere Mädchen der Freundin zu, in deren weit aufgerissenen Augen sich alles Kerzenlicht der Kirche zu sammeln und als goldene Punkte auf dunkelbraunem Grund zu schwimmen schien.
Die Mönche begannen nun ein gemeinsames Gebet, zum Erstaunen der beiden Kinder nicht in der lateinischen Kirchensprache, sondern in der Sprache ihrer Heimat, so daß sie jedes Wort verstehen konnten, und einige der Einheimischen kannten das Gebet auswendig und sprachen den Text mit den Mönchen laut mit. Dunkel und hell ertönten die Stimmen der Menschen, Frauen und Männer, Junge und Alte, Freie und Unfreie sprachen gemeinsam von ihrem Glauben, und der ganze dämmrige Raum war erfüllt mit diesem einem Gebet.
„Dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista
Dat ero ni uuas noh ufhimil
noh paum noh pereg ni uuas
ni nohheinig noh sunna ni scein
noh mano ni liuhta noh der mareo seo.
Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuenteoenti do uuas der eino almahtico cot
manno miltisto, enti dar uuarun auh manake mit inan
cootlihhe geista. Enti cot heilac
Das erfuhr ich bei den Menschen, als das erstaunlichste Wissen, daß die Erde nicht war, noch das Firmament, weder Baum noch Berg, kein Stern, und auch die Sonne nicht schien, noch der Mond leuchtete, und auch das herrliche Meer nicht war. Als da nichts existierte an Enden und Wenden, da war der eine allmächtige Gott, das freigebigste aller Wesen, und bei ihm waren viele herrliche Geister. Und Gott ist heilig.
Afra
Am Abend des Annatages im Kloster von Staphinse feierten die Pilger und Gläubigen nach den ernsten Stunden, angefüllt mit Gebeten und der würdevollen Messe in der schönen Klosterkirche, friedlich und heiter mit den Mönchen ein Fest und verzehrten zusammen ihr Abendmahl. Lange, schmale Holztische und einfache Bänke waren im Klosterhof für die besseren Leute aufgestellt, für die freien Männer mit ihren Frauen und Kindern und für die Mönche und Priester selbst, und die unfreien Familien, die Knechte und Mägde hockten in der Nähe der Kuchl um die vielen offenen Feuer am Boden zusammen. Dort ging es laut und lustig zu, die jungen Kerle neckten die Mädchen, es wurde getrunken und gelacht, und manch ein derber Scherz war bis zu unserem Tisch hinüber zu hören. Ein ganzer Ochse brutzelte auf einer eisernen Stange über der großen Feuerstelle, eifrig überwacht von einem noch sehr jungen Mönch in brauner Kutte, und der Duft des gebratenen, mit schmackhaften Kräutern gefüllten Fleisches hing dick in der Luft und stimmte die hungrigen Menschen fröhlich ob der Aussicht auf ein so gutes Mahl. Vater
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