Mein Name ist Afra (German Edition)
Anwesenden seine Worte verstehen konnten. Als der dürre Kerl oben auf dem Tisch stand, sah ich, daß sein Überwurf zerrissen und dreckig war und seine Beine bis obenhin mit Schlamm bespritzt, und er bebte an allen Gliedern und fand kaum die ersten Worte. Die Leute starrten ihn an und es war totenstill, als er mit müder Stimme zu sprechen begann.
„Ich komme direkt aus dem Kloster des heiligen Benedikt in Burin, um die Mönche vom Staphinse zu warnen, wie es mir der Abt selber aufgetragen hat, und ich bin geritten, als wenn der Leibhaftige hinter mir her wäre! Die Ungarn strömen in Scharen ins Baiernland, und es wäre besser für euch alle, wenn ihr sofort in eure Dörfer heimkehrt und euer Hab und Gut in Sicherheit bringt! Sie ziehen nach Kembeduno, und sie wollen Beute machen! Vor allem auf Frauen und Kinder haben sie es abgesehen, denn sie handeln mit Sklaven, und Männer und alte Weiber werden einfach erschlagen!“
Ein unglaubliches Durcheinander von aufgebrachten Stimmen und hilflosem Geschrei brach jetzt über uns herein, und die Menschen drängten an den Tisch heran, auf dem der junge Mann stand, und hätten ihn bald zusammen mit den Bänken umgeworfen, wenn Wezilo nicht energisch Einhalt geboten hätte. „Ruhig, ihr Leute, seid ruhig! Wenn alle auf einmal reden, werden wir gar nichts erfahren! Laßt diesen Mann, der so tapfer gehandelt hat und für uns alle wie der Teufel geritten ist, erst einmal zu Atem kommen, und dann wird er unsere Fragen beantworten und wir werden wissen, was zu tun ist! Zurück, ihr da vorne, ihr schmeißt ihn ja noch mitsamt dem Tisch auf die Erde!“
Mein Vater war es als Meier gewohnt, Menschen zu führen, und er sprach so sicher und bestimmt, daß die Leute sich trotz ihrer Angst zusammennahmen und auf ihn hörten. Ein dunkler, bärtiger Mann drängte sich nach vorne und wollte dem Bericht des Jungen aus Burin keinen Glauben schenken. „Die Ungarn fallen nicht über uns her, sie ziehen nur durch unser Land, um im Süden und Westen auf Beutezug zu gehen! Habt´ ihr vergessen, daß der selige Herzog Arnulf ein Bündnis mit ihnen geschlossen hat, das sicher noch gültig ist, denn die Barbaren haben bei uns hier in Baiern schon jahrelang keinen Schaden mehr angerichtet und sind immer nur durchgezogen, an den Bodinse und darüber hinaus ins Land der Franken, das uns gar nichts angeht! Sie werden auch diesmal nur vorbeiziehen und uns unbehelligt lassen, da bin ich mir sicher! Dein Abt, junger Mann, ist gewiß kein erfahrener Krieger, sondern nur ein frommer Mann Gottes, und deshalb versteht er auch nichts von solchen Dingen.“ Zustimmendes Gemurmel kam aus den Reihen der Zuhörer, und einer wußte auch noch davon zu berichten, daß sogar der Papst in Rom sich einmal mit den ungarischen Horden gegen die aufständische römische Aristokratie verbündet hatte, und die Karolinger im Frankenreich selbst die Ungarn gegen die Herzöge von Franzien zu Hilfe gerufen hätten. Diese Behauptungen wollte aber niemand so recht glauben, denn von manchen waren die Väter oder Großväter auf Kriegszügen dabei gewesen und sie wußten aus deren Erzählungen genau, was für furchtbare, schnelle Kämpfer die Ungarn waren, und daß es für sie als Heiden nichts gab außer reicher Beute und Kriegserfolg, und Menschenleben zählten nicht. Mit solchen Barbaren ohne Gesetz und Ordnung konnte sich vielleicht der schlaue Herzog Arnulf verbünden und seinen Nutzen aus ihnen ziehen, aber der Papst in Rom würde sich mit ihnen sicher nicht einlassen.
Der müde, junge Mann auf dem Tisch schüttelte nur den Kopf, als er diese Meinungen hörte. „Dann glaubt, was ihr wollt, und laßt mich weiterziehen, damit ich noch einige vernünftige Leute warnen kann! Es stimmt, der Großteil der Barbaren zieht geschlossen Richtung Kembeduno, aber einige kleinere Horden haben sich abgetrennt und überfallen die Dörfer auf ihrem Weg nach Westen! Bei uns brennen die Häuser lichterloh, Frauen und unschuldige Kinder werden in ein grausames Schicksal als Sklaven verschleppt, und tapfere Männer liegen erschlagen in ihrem Blut, weil sie ihre Familien und ihr Heim verteidigen wollten! Kirchen und Klöster haben sie schon geplündert, diese blutrünstigen Heiden, Gold und edle Stoffe, Silber und Schmuck wollen sie, und alles, was ihnen im Weg steht, wird gnadenlos niedergemacht!“
Der Junge aus Burin fing an zu schluchzen, als er sich an all die Greueltaten erinnerte, und beschwörend hob er die Hände. „Bringt euch und
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