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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Schädelin
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Es begann so: «Bist du es, Tanti ?
    Hörst Du ?: Bf bf bf!» Das heisst, er hatte der Tante drei telefonische Küsse verabreicht. Eines solchen Knaben muss man sich schämen, und wir wären ihn schon lange gerne losgeworden, aber manchmal reizt es uns, ihn zu beschützen, und der Wrigley hält seine Hand über ihn, indem er sagt, der Kleine sei halt ein wenig unterbelichtet und zum Leben nicht ganz tauglich.
    Wir Vier sind meistens zusammen, das heisst, am allermeisten der Wrigley und ich. Denn an der Herrengasse wohne ich nebst meinen Eltern im zweiten Stock, und Wrigleys im Parterre. Im ersten Stock aber belegt meine Tante Melanie mutterseelenallein ihre Dreizimmerwohnung. Das sind Umstände, die zu Komplikationen führen müssen. Eine Kostprobe davon gibt dir die erste Geschichte.

DAS LANGE SCHWARZE

    Es fing harmlos an: Mit den Vorbereitungen zum grossen Unterhaltungsabend im Casino. Ein Theaterstück war in Aussicht genommen, ein sehr schönes, schmalziges. Es heisst: « Abends , wenn wir schlafen gehen» und stammte von einer gewissen Frau Dr. Tüscher-Abegg. Leidigerweise kommt darin eine alte Tante mit einer Bettflasche vor, welche sie dem Buben vor seiner Abreise in die Ferien in den Rucksack tun will. Mit grossem Stimmenmehr wurde der Wrigley für diese Rolle ausersehen, weil er eine tiefe Stimme und viele Pickel auf der Backe hat. Das sei das richtige. Wir anderen waren geneigt, den Wrigley auszulachen, aber der nahm die Sache sehr ernst. Er sagte, das sei ja der Witz der hohen Schauspielkunst, dass man sich in die Brust ganz anderer Menschen versetze, und er werde sich in diese Rolle hineinleben, wie der Götze von Berlichingen in seine eiserne Faust, und er werde der Zuschauermasse eine Tante hinlegen, dass jedermann Gänsehaut bekomme.
    Von diesem Augenblick an war er kaum mehr wiederzuerkennen. Er, der jeden Sonntag Heulkrämpfe bekommt, wenn ihn die Mutter zu waschen versucht, erschien plötzlich in der Sametkutte des älteren Cousins (das ist der, welcher Steuermann auf dem Titicacasee geworden ist), und in der Tasche steckte immer eine gefaltete Ausgabe der «Tribüne de Lausanne», trotzdem er noch immer den Subjonctif verwechselt. Er sagte, jeder Schauspieler habe so eine in der Tasche, und überhaupt, er wurde auf eine Art seriös und ekelhaft, dass wir nichts mehr mit ihm anfangen konnten. Neue, merkwürdige Gewohnheiten überstürzten sich: Er übte einen nervösen Augenaufschlag, er kaufte ein Billett für das Weihnachtsmärchen im Stadttheater, weil man ihn bei anderen Stücken altershalber nicht einliess, und er, der Wrigley, sass mit Erst- und Zweitklässlern und sah sich das Schneewittchen an. Kurz, er tat alles, was ein rechter Mensch nicht tut.
    Daheim biederte er sich mit der Tante Melanie im ersten Stock an, trotzdem er sie bis jetzt einen Hemmschuh genannt hatte. Das kann ich selber bestätigen, denn die Tante hasste alles, was wir lieben und liebt alles, was wir hassen. Wenn ich zum Beispiel arglos in meinem Zimmer Hochsprung trainiere, so kommt sie herauf und schreit, ihr Kronleuchter wackele; wenn der Wrigley und ich den «Widiwädi Heirassa» singen, so tut ihr das in den Ohren weh; wenn ich trottinettle , so kommt sie und konfisziert es, und wenn ich ihr vom Garten aus zufällig und ohne böse Absicht eine Scheibe krümme, so gibt es Radau wie nach einem Schaufenster. Am meisten liebt sie uns, wenn wir krank oder in den Ferien sind. Ihre besondere Abneigung hatten wir uns aber nichtsahnend zugezogen, und das kam so:
    Tante Melanie hatte einst einen Mann gehabt, der begreiflicherweise vor Jahrzehnten gestorben war. Er stand auf ihrem Klavier in einem dreistöckigen geschnitzten Rahmen, das heisst ein Photo von ihm. Dem hatten wir, und zwar nur überm Glas — einen Schnauz und auf die Nase eine Warze gemalt, aber als wir dabei waren, auch die Ohren zu verlängern, trat sie dazwischen, und die Folge war ein dreiwöchiger Taifun. Aus diesen und folgenden Gründen bin ich seither mit jedem Porträt, selbst dann, wenn es aus Gips ist, vorsichtig geworden.

    Auch auf dem Dachboden harrte uns nämlich ein ähnliches Verhängnis. Dieser ist übermässig gross und ein wahres Paradies. Die Tante Melanie hat dort ein unfreiwilliges historisches Museum. Herrliche Sachen warten ständig auf uns Knaben. Als wir einmal dort oben für mein ehemaliges Dreirad eine Slalomstrecke absteckten, ahnten wir noch nichts. Es galt, eine komplizierte Piste abzurasen, die aus Spazierstöcken,

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