Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
zusammen in den dritten Teil von «Twilight» gehen wollen, und Carla (die dumme Nuss) hat geantwortet, dass sie es noch nicht so genau weiß, weil Marc auch gefragt hat, obwohl das gar nicht stimmt, und jetzt macht sie sich Sorgen, dass die beiden Jungs sich darüber unterhalten und dann rauskommt, dass Marc gar nicht gefragt hat, und das wäre so krass peinlich, dass sie sofort sterben würde. Deswegen sage sie Moritz morgen, dass sie gerne mit ihm gehen will, und hoffentlich hat er es sich nicht anders überlegt, oder sie schreibt ihm eine Mail. Vielleicht besser. Mal sehen.
Gut. Das sind jetzt natürlich alles Dinge, die ich ohne Micky-Maus-High-Tech-Spion-Equipment niemals wüsste. Ich musste also diplomatisch mit diesen Infos umgehen.
Andererseits platzte ich vor Neugier. Beim Abendessen schnitt ich das Thema so vorsichtig an wie Barack Obama die Menschenrechtsverletzungen in China, indem ich fragte: «Du, Carla, der Moritz und du, wird das was Festes?» Sie nahm einen Schluck Apfelschorle, legte den Kopf schief und sagte: «Privatsache.» Ich ließ eine Minute verstreichen. «Sag mal, wird da auch schon geküsst?» Sie reagierte empört: «Papa!» Das ist natürlich eine kluge Antwort, denn sie kann bedeuten: «Natürlich, du Depp!» Sie kann aber genauso gut bedeuten: «Natürlich nicht, du Depp.» Also fragte ich weiter: «Mit Zunge?» Und darauf sie: «Papa, Mensch. Wir sind doch keine Perverslinge!» Und ich dachte: Alles gut, kein Grund zur Panik. Viel Spaß im Kino.
Mein erster Trip zur Sonne
Zu den zahlreichen Verrichtungen, die in meiner Biographie noch fehlten, gehörte der Besuch einer Sonnenbank. Ich habe mich noch nie in so eine Bratröhre gelegt. Zum einen misstraute ich der Technik. Ich fand sie immer ähnlich zweifelhaft wie Mikrowellen oder Handystrahlen. Und ich empfand einen Dünkel gegenüber Menschen, die ihre Freizeit auf dem sogenannten Münzen-Mallorca verbringen. Wahrscheinlich telefonieren sie ununterbrochen und fertigen ihre Mahlzeiten in der Mikrowelle an, dachte ich.
Dann sah ich diesen doofen Avatar-Film, in dem jemand in ein Solarium steigt und knallblau mit riesigem Schwanz wieder rauskommt, oder so ähnlich, und da war mein Interesse doch geweckt. Also bin ich heute Mittag zum nächsten Sonnenstudio gefahren, bereit, für Sie und mich in die Niederungen der Bräunungsszene hinabzusteigen.
Ich rechnete damit, dass ich dort von einer Kabinenhelferin mit bratenspießartigen Fingernägeln empfangen würde. Kabinenhelfer wurde in den achtziger Jahren zum Ausbildungsberuf. Damals kamen die Sonnenstudios auf, und sie benötigten viel Personal, und so entstand diese rechtlich geschützte und mit IHK-Prüfungen abgesicherte Berufsbezeichnung. Tatsächlich ist der Beruf des Kabinenhelfers damit seriöser als der des Journalisten. So darf sich nämlich jeder nennen, der will.
Wie dem auch sei, ich spekulierte falsch: Das Sonnenstudio war menschenleer, keine Kabinenhelferin nirgends, die Branche hat sich dahingehend verkleinert, dass es offenbar nur noch Chefs gibt. Das ist übrigens im Journalismus bei einigen Verlagen auch in der Planung, insofern haben Kabinenhelfer und Journalisten doch einiges gemeinsam. Egal.
Ich betrat die Kabine Nummer 7, in welcher es aussah wie in einer Aussegnungshalle für ganz arme Leute. Der Sarkophag stand geöffnet und geheimnisvoll leuchtend vor mir, in seinem Deckel blinkten allerhand Anzeigen. Ich warf außerhalb der Kabine Geld ein und zog mich aus, wofür ich neunzig Sekunden Zeit hatte, bevor der Leuchtsarg sein bräunendes Werk verrichten würde, egal, ob jemand in ihm lag oder nicht. Am Fußende befand sich eine mannbreite Rolle, mit Frischhaltefolie, die ich aus Hygienegründen über die Liegefläche ziehen sollte, wie mich eine an die Wand getackerte Bedienungsanleitung belehrte. Ich zog knapp zwei Meter von der Rolle, und nachdem ich gezogen hatte, wurde mir klar, dass ich die Folie unter der Schneidekante und nicht über der Schneidekante hätte entlangziehen müssen. So ließ sie sich jedenfalls nicht abschneiden. Ich überlegte, ob ich die ganze Folie wieder zurückstopfen oder liegen lassen und abhauen sollte, entschied mich aber dann dafür, die Folie unterhalb des Fußendes abzurupfen, was sich als ziemlich zähes Geschäft erwies. Gerade als der Bräunungstrumm zu piepen begann wie eine Zeitbombe, schwang ich mich auf die folierte Liege und klappte den Deckel zu. Und dann geschah etwas Transzendentales: Ein unfassbares Licht
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