Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
Grund des Swimmingpools und kescherten ihn heraus. Er war fast so groß wie mein Daumen und glänzte schwarz und leblos in der Sonne. Die Kinder waren elektrisiert. Sara erklärte ihnen, dass man so einen Skorpion in Harz gießen, dass man ihn dann immer ansehen und Briefe damit beschweren könne, was Nick als Verwendungszweck sterbenslangweilig fand. Er schlug vor, ihn erst mit Weltraumstrahlen zu beschießen und damit tausendfach zu vergrößern, ihn zum Leben zu erwecken und als Superwaffe gegen Soldaten einzusetzen.
«Gegen welche Soldaten denn?», fragte ich ihn.
«Gegen die bösen natürlich», antwortete Nick, dem man auf keinen Fall die Erhaltung des Weltfriedens anvertrauen sollte. Finde ich. Wir beschlossen, den Skorpion erst einmal zu trocknen, und stülpten ein Wasserglas über ihn, damit ihn keine Wespen oder Vögel klauen konnten. Dann aßen wir Eis, spielten Karten, lasen, kochten zu Abend und vergaßen den Skorpion. Am nächsten Morgen fiel er Nick wieder ein. Er raste nach dem Frühstück zum Pool, um nachzusehen, ob der Gliederfüßer bereits ausgetrocknet sei. War er aber nicht. Er war: weg.
«Wie, weg?», fragte ich meinen atemlosen Sohn.
«Einfach abgehauen, das Glas steht genauso da wie gestern, aber der Skorpion ist verschwunden. Der hat sich nur tot gestellt.»
Wir gingen nachschauen, und es stimmte. Das Glas stand umgestülpt auf dem Beckenrand, darunter war nichts. Seitdem mache ich mir Sorgen, denn ich bin ein bisschen arachnophob, auch wenn mir klar ist, dass hiesige Spinnen mich nicht töten können. Ich will einfach keinen Streit mit ihnen, ganz egal, wie groß oder behaart sie sind. Nie käme ich zum Beispiel auf die Idee, eine große Spinne mit dem Staubsauger zu fangen, weil ich mir immer vorstelle, wie das stinksaure Tier nachts aus dem Gerät krabbelt und Rache an mir nimmt. Wie ungleich größer mag die Wut eines umbrischen Skorpions sein, der schlechtgelaunt einem umgedrehten Wasserglas entkommt? Was ist, wenn er nun auf eine passende Gelegenheit wartet, es mir heimzuzahlen, wenn er zwischen Socken, in Hemdtaschen, in meinem Brillenetui darauf brütet, seinen Stachel in meine Hand oder in meinen Po zu bohren?
Die restlichen zwei Tage bewegte ich mich mit größter Vorsicht, schüttelte meine Schuhe aus und fasste nichts an, dessen Berührung ich hätte bereuen können. Meinen Kindern gegenüber erwähnte ich diese Furcht natürlich nicht. Ich wollte ihnen den Urlaub nicht verderben. Manchmal muss man als Vater Stärke vorspielen, die man gar nicht besitzt.
Hervorragender Stil
Tagsüber bin ich alleine. Dann gehe ich manchmal im Haus herum. Nicht dass ich meinen Kindern hinterherschnüffele, ich finde auch so allerhand und muss gar nicht erst unter Betten nachsehen. Das mache ich frühestens in fünf Jahren, wenn es richtig interessant wird. Heute entdeckt: einen Radiergummi neben dem Klo. Eine Socke im Keller beim Gefrierschrank. Schokolade aus dem Paläozoikum, ein Fund, der besonders überrascht, wenn man weiß, dass unser Sohn Nick ein geradezu seismisches Auffindungstalent für Süßwaren aller Art besitzt.
Den meisten Gegenständen, die ich finde, haftet aber nichts Mystisches an, sie sind einfach nur nicht richtig aufgeräumt worden. Jedes Familienmitglied hat die Neigung, ganz bestimmte Dinge an ganz bestimmten Orten nicht aufzuräumen. Meine Gattin zum Beispiel lässt ihre Schuhe im Wohnzimmer liegen. Unsere Tochter Carla verteilt Hausaufgaben gleichmäßig im ganzen Haus, um sie mühsam morgens wieder einzusammeln, was nicht immer gelingt. Ich lasse meine Espressotassen stehen. Sara hat sich darüber beklagt, was ich kleinmütig finde, denn es ist ja so: Eingetrocknete Espressotassen vermitteln ein romantisches Savoir-vivre, einen geradezu hervorragenden Stil. Oder etwa nicht?
Apropos hervorragender Stil: Was machen eigentlich Hollywoodstars in ihrer Freizeit? Na was wohl: Werbung machen die. Harrison Ford warb einmal für italienische Autos, George Clooney wirbt für Kaffeedöschen und Kevin Costner für eine Fluggesellschaft. In deren Anzeigen ist der feine Herr Costner zu sehen, und neben seinem Kopf steht handschriftlich sowie in mangelhafter Interpunktion: «Hervorragendes Essen. Hervorragender Stil und was für ein Flugpersonal Sie müssen kein Star sein, um sich wie ein Star zu fühlen. Vielen Dank Turkish Airlines. Kevin Costner.» Soso, das hat der elegante Herr Costner also höchstpersönlich mit einem dicken Füller da hingeschrieben. Und zwar auf
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