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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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der Glocke über der Tür, »es wird doch nicht etwa ein Klient sein?«
    In diesem Augenblick schrillte die Glocke zum zweitenmal, und jetzt sahen wir beide, daß es tatsächlich die Glocke über der Bürotür war, deren Klöppel gegen die Läutschale trommelte.
    »Es gilt mir!« schrie Onkel Ferdinand, »du kannst sagen, was du willst, das Läuten gilt mir!« Er drehte sich ein paarmal um sich selbst, als suche er, rings von Flammen eingeschlossen, nach einem Fluchtweg, er irrte hierhin und dorthin und blieb plötzlich vor mir stehen.
    »Du mußt mir helfen, Hermann!« zischte er mir zu und legte mir seine Hände beschwörend auf die Schultern. »Verdammt noch einmal, ich bin aufgeplatzt, wenn du mir nicht hilfst. Irgend etwas mußt du jetzt mimen! Entweder spielst du einen Kunden, dann verschwindest du mit Hut und Mantel durch die Haustür und bedankst dich bei mir recht laut und deutlich für die rasche Klärung deines schwierigen Auftrags, verstanden? Du kannst auch etwas von einem Sonderhonorar fallenlassen, diskret natürlich, aber so, daß man merkt, wie erstklassig hier gearbeitet wird... Oder nein, noch besser, du verdrückst dich jetzt in das Kabuff und spielst jemand vom Personal. Jawoll, Hermann, das ist genau das richtige! Du spielst jemand vom Personal! Den Chef des chemischen Labors... Blutuntersuchungen und so... du verstehst schon, was ich meine. Aber halt um Himmels willen das Auge am Schlüsselloch und paß gut auf, wenn ich nach dir läute! Und reiß die Tür nicht zu weit auf, Junge, verstanden!? So, und jetzt verdufte schon, es wird höchste Zeit, daß ich unseren Klienten in Empfang nehme!«
    Und ohne abzuwarten, was ich dazu zu sagen hatte, rannte er auf den Hur hinaus, um seinen Besuch zu empfangen. Ich ergab mich in mein Schicksal, raffte die noch am Boden herumliegenden Papiere auf, räumte das Handwerkszeug zusammen und feuerte alles miteinander in die Kammer hinein, bevor ich selber darin verschwand.
    Onkel Ferdinand hatte inzwischen die Tür geöffnet, und ich hörte eine Männerstimme laut und mit unverkennbar englischem oder amerikanischem Akzent auf die Dunkelheit und auf die Enge in diesem Hause fluchen. Und ich hörte auch Onkel Ferdinands volltönende Erwiderung: allerdings sei das Haus ein wenig finster und alt, aber wenn man dreißig Jahre seines Lebens hier gearbeitet und das alte Institut Greif aus bescheidenen Anfängen zu seinem heutigen internationalen Ruf geführt habe, dann söhne man sich wie in einer alten Ehe auch mit den Unvollkommenheiten des Partners aus...
    Ich war drauf und dran, loszuplatzen. Aber die Stimmen und Schritte näherten sich, ich drückte die Kammertür ins Schloß und hatte das Auge kaum am Schlüsselloch, als Onkel Ferdinand seinen ersten Klienten auch schon in sein Büro hineinkomplimentierte.
    Der Fremde war ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, vielleicht sogar ein wenig darüber, mager, drahtig und breitschultrig und, was mir auf den ersten Blick auffiel, bemerkenswert gut, ja sogar elegant angezogen. Er trug sich in Grau, einen mausgrauen einreihigen Mantel, einen grauen Homburg und Handschuhe aus grauem Wildleder. Sein Gesicht wirkte straff und jugendlich, obwohl sich das kupferfarbene Haar über seiner Stirn bereits lichtete.
    »Bitte, nehmen Sie doch Platz, Herr... Herr... wie war doch gleich der werte Name?«
    Aber der Fremde antwortete nicht, sondern setzte dem Versuch Onkel Ferdinands, ihm den Hut abzunehmen und ihn selber auf einen Stuhl zu locken, entschiedenen Widerstand entgegen. Er sah sich mit seinen hellen, kühlen Augen im Büro um, verzog den Mund und nahm eine Haltung an, als suche er nur nach einer passenden Ausrede, um sich mit Geschick zu entfernen.
    Aber Onkel Ferdinand ließ ihn nicht zur Besinnung kommen. Er schob ihm den besseren von den beiden Rohrstühlen hart an die Kniekehlen heran und konnte ihn auf diese Weise mit einem ganz leichten, liebenswürdigen Druck in den Stuhl niederzwingen.
    »Sie sind Engländer, wie ich höre«, bemerkte er dabei, »und wenn ich mich nicht irre, erst vor kurzer Zeit über den Kanal gekommen. Schlechtes Wetter gehabt, wie? Kenne das alles, kenne den alten Kanal bei gutem und bei schlechtem Wetter, haha, und nun sind Sie also zu mir gekommen, in die alte Detektei Greif... Ja, werter Herr, wir haben einen Ruf weit über die Grenzen unseres alten, lieben Kontinents hinaus! Und Referenzen, Verehrtester, von denen sich manches andere Unternehmen dieser Art von Herzen gern eine Scheibe

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