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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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sich offensichtlich über meine rasche Auffassungsgabe. »Also nun paß mal auf, mein Junge: zweihundert Eierchen habe ich den Erben meines verstorbenen Vorgängers für den ganzen Zimt hier in die Hand gedrückt. Punktum! Und wenn dein guter Vater mich nach dem Gang meiner Geschäfte fragt, dann kann ich ihm mit ruhigem Gewissen antworten, daß mir der erste Monat meiner Tätigkeit bereits einen Verdienst von fünfhundert blanken Katharinchen eingebracht hat.«
    Onkel Ferdinand legte mir die Hand schwer auf die Schulter und sah mich aus seinen blauen Augen ernst an: »Also, merke es dir, Hermann«, sagte er salbungsvoll, »nur ein Lump borgt so viel, wie er braucht! Ein feiner Mann pumpt ordentlich, oder überhaupt nicht! Mach dir das zum eisernen Gesetz deines Lebens. Und nun an die Arbeit, mein Junge, und pack der Reihe nach aus!«
    Und ich packte aus. Zunächst eine Kiste mit Kundenzigarren mittlerer Preislage. Dann einen Aschenbecher, für den der Onkel nach einigem Hin und Her den passenden Platz genau in der Mitte der Schreibtischplatte fand. Ferner ein halbes Dutzend derber Schnapsgläser und zwei Flaschen Jamaika-Rum, die der Onkel rechts und links griffbereit in den Seitenfächern verstaute. Ferner hatten wir einiges Handwerkszeug eingekauft, einen kleinen Hammer, eine Beißzange und eine Handvoll Nägel, und schließlich ein altes, reparaturbedürftiges Telefon, das wir linkerhand auf den Schreibtisch stellten. Das Anschlußkabel ließ Onkel Ferdinand diskret hinter der Gardine verschwinden und nagelte es unter dem Fensterbrett fest. Dann trat er ein paar Schritte zurück und betrachtete das Werk seiner Hände wie ein versierter Kunstkenner aus leicht zusammengekniffenen Augen.
    »Famos, Hermann!« stellte er befriedigt fest und schnalzte mit der Zunge. »Jetzt hat die Geschichte jedenfalls schon ein ganz anderes Gesicht.«
    Zum Schluß montierte er noch eine Garnitur von fünf verschieden gefärbten Klingelknöpfen rechts auf die Schreibtischplatte, und als auch das geschehen war, mußte ich selber gestehen, daß das Zimmer fast wie ein richtiges Büro aussah.
    »Es ist genau das gleiche wie mit den Weibern, mein Junge«, sagte Onkel Ferdinand nachdenklich, »die Aufmachung ist die Hauptsache. Du denkst, du hättest die Königin von Saba erwischt — und bist auf 'nen Lippenstift und auf ein Dutzend Lockenwickler hereingefallen...«
    Während er weiterhin tiefsinnige Betrachtungen über die Bedeutung des Scheins und der Illusionen auf dieser Welt anstellte, malte ich aus Jux die fünf kleinen Schilder neben den Klingelknöpfen aus. Roter Knopf: Bürovorsteher. Grüner Knopf: Chefsekretärin. Gelber Knopf: Kartothek. Blauer Knopf: Archiv. Und weißer Knopf: Mitarbeiterzimmer.
    Es sah fabelhaft echt aus.
    Onkel Ferdinand, der übrigens einen fast neuen Cutaway mit rostbrauner Weste, Plastronkrawatte und dunkelgestreifte, graue Hosen trug, griff in die Kiste mit den Kundenzigarren und blies bald blaue Ringe in die Luft.
    »Also, da schwimmen wir wieder einmal ganz oben!« sagte er, mit sich und der Welt zufrieden. »Lieber Himmel, was war das bloß für ein verwahrlostes, trauriges Kabuff, als ich zum erstenmal hier hereinkam. Daß es einen Hund jammern konnte! Und — Donnerwetter noch einmal! — was ist das in drei Tagen für ein Betrieb geworden! Ein Chef, der was vorstellt... Oder bin ich etwa keine repräsentative Erscheinung? Na also! Telefon, fünf Angestellte, ein Schaltbrett mit fünf Anschlüssen, du drückst auf einen Knopf, so...«
    Onkel Ferdinand beugte sich über den Schreibtisch und drückte mit dem Daumen kräftig auf den grünen Knopf für die Chefsekretärin, und plötzlich — krrrr! — schrillte die Glocke laut und hart los.
    Ich muß gestehen, daß ich im ersten Augenblick nicht weniger verblüfft war als Onkel Ferdinand. Er hatte den Klingelknopf fahren lassen, als wäre er mit dem Daumen auf glühendes Eisen gekommen. Er sah richtig verstört aus.
    »Hermann!« stammelte er atemlos, »das Biest funktioniert wirklich!«
    »Ausgeschlossen!« erwiderte ich fest, »ich bin zwar nur Chemiker, aber soviel verstehe ich von der Elektrizität, daß ein Knopf allein nie im Leben läuten kann!«
    Onkel Ferdinand nickte. Auch er schien sich inzwischen darüber klargeworden zu sein, daß auf unserer Welt ein Klingelknopf, wie er auch immer gefärbt sein mochte, ohne Glocke und Batterie zu ewigem Schweigen verurteilt war.
    »Hermann«, sagte er endlich, womöglich noch verstörter und schielte zu

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