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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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einem Marschierpülverchen beseitigt zu haben.«
    So schwadronierte Onkel Ferdinand munter drauflos, mir aber wurde es kühl, und es war mir in diesem Augenblick geradeso zumute wie einem Mann, der aus der Dunkelheit des Zuschauerraums plötzlich auf die Bühne gezerrt wird, um sich von einem Zauberkünstler Geldstücke aus der Nase ziehen zu lassen. Und ich verfluchte die schwache Stunde, in der ich mich von Onkel Ferdinand hatte beschwatzen lassen, diese blödsinnige Rolle in seinem Komödienspiel zu übernehmen.
    Er hob indessen den Hörer vom Telefon, wählte eine Phantasienummer, starrte mit hervorquellenden Augen zu mir ins Schlüsselloch hinüber und brüllte: »Hallo, Doktor Martin, kommen Sie doch mal gleich zu einer Besprechung in mein Büro 'rüber. Ich habe da eine dringliche Sache, die ich Ihnen anvertrauen möchte. Noch eins: sagen Sie Fräulein Müller, sie möchte die Akten des Falles Mooslechner rasch fertigmachen und herüberbringen, aber nicht eher, als bis ich sie rufe, verstanden? Vorläufig wünsche ich nicht gestört zu werden. Alles klar? Dann kommen Sie also, bitte, herüber. Danke...« Und Onkel Ferdinand hängte ein.
    Ich wartete eine halbe Minute, um den Gang durch die Flucht der Büroräume des alten Institutes Greif glaubhafter zu machen und klopfte schließlich an Onkel Ferdinands Tür. Sein »Herein!« ertönte, ich schlüpfte ins Zimmer und blieb nach einer Verbeugung in respektvoller Entfernung vor dem Schreibtisch meines Chefs stehen. Onkel Ferdinands Hand wedelte zwischen Mister Murchison und mir kurz hin und her.
    »Mister Murchison«, sagte Onkel Ferdinand voller Würde, »erlauben Sie, daß ich Ihnen Herrn Martin vorstelle. Er ist im Nebenfach Doktor der Chemie und trotz seiner Jugend das beste Pferd in meinem Stall. Dieser junge Mann hat Fälle aufgeklärt, wo sogar die Polizei den Hut abnahm, jawohl!«
    Ich biß die Zähne zusammen, denn Murchison wandte sich mir zu und begrüßte mich mit einer kurzen Verbeugung. Er musterte mich von oben bis unten. Der Eindruck, den ich auf ihn machte, schien nicht übel zu sein, denn sein Gesicht verlor den mißtrauisch verkniffenen Zug um die Mundwinkel.
    »Nehmen Sie Platz, Doktorchen«, sagte Onkel Ferdinand leutselig und bemerkte leider zu spät, daß die beiden verfügbaren Stühle schon besetzt waren. »Also es handelt sich darum«, fuhr er rasch fort und überbrückte die Platzfrage dadurch, daß er mich mit .seinem dicken Zeigefinger näher an den Schreibtisch heranwinkte, »daß Mister Murchison uns beauftragt hat, genaue Erkundigungen über ein Fräulein — Dingslamdei — eh, verflucht, wie war doch gleich der Name von dem Mädel?«
    »Gertrud Drost...«, murmelte Murchison.
    »Richtig! Also Erkundigungen über dieses Fräulein Drost einzuziehen und Mister Murchison in kürzester Frist einen ausführlichen Bericht über besagte junge Dame zu geben. Notieren Sie sich das mal gleich, Martin...«
    Zum Glück hatte ich meinen Kugelschreiber dabei, und ich fand in meiner Brieftasche auch eine alte Rechnung, deren Rückseite noch leer war. Himmel, was für eine Katastrophe hätte das gegeben, wenn es mir jetzt eingefallen wäre, Onkel Ferdinand zu bitten, doch rasch einmal das Fräulein Müller herbeizuläuten und sie zu ersuchen, etwas Schreibmaterial aus dem Sekretariat ins Chefbüro zu bringen...
    Ich kritzelte den Namen Gertrud Drost auf mein Papierchen und sah Herrn Murchison erwartungsvoll an. Er starrte auf die Spitzen seiner schwarzen, italienischen Slipper.
    »Fräulein Drost ist etwa vierundzwanzig Jahre alt«, sagte er schließlich verkniffen. »Soviel mir bekannt ist, sind ihre Eltern vor zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie soll hier bei ihrer Tante wohnen. Diese Tante ist eine Schwester ihrer verstorbenen Mutter und heißt Wiskott. Soviel mir bekannt ist, besitzt sie ein Handarbeitsgeschäft in der Kalendergasse...« Er überlegte ein paar Sekunden lang und hob den Kopf:
    »Das ist alles, was ich weiß...«
    »Und was wünschen Sie zu wissen?« fragte ich.
    »Ich habe es Ihrem Chef bereits gesagt. Ich brauche ein möglichst lückenloses Porträt der jungen Dame. Ober ihr Aussehen, ihre Neigungen, ihre Tätigkeit, ihre Einkünfte, ihren Umgang...« Er zögerte sekundenlang: »Sollte sie einen Freund haben oder verlobt sein«, sagte er schließlich mit schmalen Lippen, »dann wünsche ich zu erfahren, wer dieser Mann ist, was er verdient und in welchen Beziehungen er zu Fräulein Drost steht. Ist das

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