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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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lieber Junge!« begrüßte er mich und streckte mir beide Hände entgegen. »Donnerwetter, du bist ja inzwischen ein ausgewachsener Mann geworden. Das letztemal, als wir uns sahen, warst du siebzehn oder achtzehn, wie?«
    »Hallo, Onkel Ferdinand, schön, daß du wieder einmal im Lande bist!« sagte ich herzlich.
    »Du wirst von der ganzen Blase so ziemlich der einzige sein, der sich ehrlich freut«, knurrte er mir ins Ohr und stieß mich in die Rippen.
    Soweit ich mich zurückerinnern kann, und das sind immerhin rand fünfundzwanzig Jahre, trag Onkel Ferdinand jedesmal, wenn er im Turnus von etwa fünf Jahren blank und abgebrannt in unserem Haus landete, den gleichen Anzug, obwohl er stets aus der Garderobe meines Vaters und der übrigen männlichen Verwandten neu ausstaffiert wurde. Er schien irgendwo in Hamburg oder Bremen ein Depot zu besitzen, wo dieser Anzug — sein Pumpkostüm — auf ihn wartete, wenn er wieder einmal an Land gespült wurde. Gelbe, dick besohlte Schnürschuhe, deren Spitzen schnabelförmig aufgebogen waren, graugestreifte Röhrenhosen von einem Schnitt, den man auf den ersten Daguerrotypen bewundern kann, und eine schwarze Tuchjacke mit riesigen Taschen, die am Halse zu verschließen war und ihrem Träger im Notfall nicht nur Kragen und Krawatte, sondern sogar das Hemd ersparte. Die Melone als Kopfbedeckung habe ich schon erwähnt.
    Während wir uns begrüßten, beging Minna die Ungeschicklichkeit, das Essen aufzutragen. Meine Mutter versuchte zwar, sie im letzten Moment noch in die Küche zurückzuscheuchen, aber es war zu spät. Onkel Ferdinand hatte die Terrine bereits entdeckt.
    »Ah, Bohnen mit Schweinebauch!« rief er und wedelte sich den Dampf lüstern in die Nase.
    »Du bleibst doch selbstverständlich zum Essen hier!« sagte ich in einem Anfall von Tollkühnheit.
    Meine Mutter erstarrte förmlich, während mein Vater, es war deutlich zu sehen, die Hände in den Taschen zu Fäusten ballte und mich mit seinen Blicken zu erdolchen versuchte. Nicht, weil er Onkel Ferdinand die Bohnen mißgönnte, sondern weil jede Minute weiteren Verweilens die Gefahr eines neuen Pumpversuchs in sich barg.
    »Aber herzlich gern, Kinder!« rief Onkel Ferdinand heiter und tat geradeso, als wäre die Einladung in der allerdringlichsten Form von meinen Eltern ausgegangen. Mutter befahl Minna mit bebender Stimme, noch ein Gedeck aufzulegen. Wir setzten uns, und Onkel Ferdinand hieb ein, als ob er acht Tage lang gefastet hätte. Und es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß dieses wirklich seine erste warme Mahlzeit seit acht Tagen war. Durst hatte er sicherlich nicht gelitten.

2

    Diesesmal hatte er also als Zirkusdirektor Schiffbruch gemacht. — Nun, Onkel Ferdinand liebte große Worte und tönende Titel. Ich nahm eher an, daß er in einem Zirkus mit seiner alten Nummer aufgetreten war: Jede Dame und jeder Herr aus dem Publikum durfte ihm aus zwei Meter Höhe auf den Bauch springen. Er besaß nämlich eine Bauchmuskulatur wie aus Stahl und hatte mich bei seinem letzten Besuch veranlaßt, vom Kleiderschrank meiner Eltern auf ihn herabzuhüpfen. Der Zirkus war übrigens eine alte Liebe von ihm. In seinen jungen Jahren war er bei Sarrasani eine Zeitlang unter dem Namen >Käpt'n Bullerjahn< als Kanonenkönig aufgetreten, hatte mit Zentnergewichten Fangball gespielt und voll beladene Autos über sich hinwegrollen lassen. Zur Freude der Verwandtschaft sogar in unserer kleinen Universitätsstadt! Das hatten sie ihm nie vergeben.
    Aber was war Onkel Ferdinand eigentlich nicht gewesen? Er war vor dem Mast zweimal um Kap Horn gesegelt und behauptete, wer das hinter sich hätte, dürfte seine Füße in der feinsten Gesellschaft auf den Tisch legen. In Alaska hatte er Gold gesucht und in Südafrika nach Diamanten geschürft. In Amerika war er Totengräber, Polizist, Freistilringer und Holzfäller gewesen und einmal, als er die Chinchillazucht in Chile besaß, war er sogar als reicher Mann bei uns aufgetaucht.
    Das geschah, als ich etwa fünf Jahre alt war. Aber ich werde nie vergessen, daß Onkel Ferdinand mir damals zwanzig Mark schenkte, ein Vermögen, das ich zum Entsetzen meiner Mutter schnurstracks in Schokolade anlegte, und zwar in Bruchschokolade zu einer Mark pro Pfund, so daß ich sie allein nicht heimschleppen konnte, sondern Kaufmann Nicklas mit dem Lieferwagen vorfahren mußte. Es gab einen furchtbaren Krach. Ich glaube, Vater war drauf und dran, Kaufmann Nicklas vor den Kadi zu bringen. Das Ende vom

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