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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Liede jedenfalls war, daß das Geschäft rückgängig gemacht wurde, und daß Vater mir von den zwanzig Mark täglich zehn Pfennig auszahlte.
    Das Essen verlief in eisigem Schweigen. Die Stimmung meiner Eltern war auf den absoluten Nullpunkt abgesunken. Sie schienen auch den Appetit verloren zu haben, denn obwohl Bohnen zu Vaters Lieblingsgerichten gehörten, stocherte er nur lustlos in seinem Teller herum und mäkelte, daß das Fleisch zu fett sei. Dafür legte sich Onkel Ferdinand viermal auf und schaufelte die Bohnen mit der säuerlichen Tunke nur so in sich hinein. Der Schweiß lief ihm in hellen Bahnen über die weiße Stirn und die rotgeäderten Wangen.
    »Es geht doch nichts über gesunde Hausmannskost und ein gemütliches Familienleben!« stöhnte er und wischte den Teller mit einem Stück Schwarzbrot aus. Er rülpste auch, aber mit vornehmer Zurückhaltung, wie es sich eben für ein gutes Haus geziemt. Und dann faltete er die Hände über dem Bauch und lehnte sich behaglich in seinen Stuhl zurück.
    »Ja, meine Lieben«, seufzte er, »ihr wißt gar nicht, wie gut ihr es habt. Auch ich habe das Umherziehen satt. Wahrhaftig, gründlich satt habe ich dieses Vagabundenleben. Ich möchte meine müden Füße am eigenen Herd wärmen und endlich wissen, wo ich daheim bin. Wenn es auch nur ein ganz bescheidenes, trauliches Stübchen sein sollte.«
    Mein Vater verzog das Gesicht, als bekäme er gräßliche Zahnschmerzen, und stieß den Atem in kurzen, heftigen Stößen durch die Nase. Er hatte eine geradezu krankhafte Abneigung gegen goldene Sprüche und Plattheiten aller Art, und nun fuhr Onkel Ferdinand in einem einzigen kurzen Satz gleich mit >müden Füßen<, dem >eigenen Herd< und gar noch mit dem >traulichen Stübchen< auf. Mir selber ging so etwas auch durch Mark und Bein.
    »Und ich werde es schaffen!« fuhr Onkel Ferdinand mutig fort. »Wenn es auch nicht die Existenz ist, die ich mir mit deiner Hilfe aufbauen wollte, Schwager Georg, nun, dann mache ich eben etwas anderes. Arbeit schändet nicht! Und immerhin, mit einem flotten Bauchladen durchs Savoy-Hotel spazieren ist auf jeden Fall vornehmer, als in irgendeiner miesen Bumskneipe den Rausschmeißer zu machen, obwohl ich gerade für solch einen Posten ein halbes Dutzend Angebote bekommen habe und nicht einmal 'ne Kaution zu stellen brauchte. Stellt euch vor, Herrschaften, im Savoy verlangen sie glatt zweihundert Emmchen! Es ist eine wahre Affenschande. Aber das treibe ich gerade noch auf. Na, schließlich ist es ja klar, daß die Hotelleitung für die Uniform eine gewisse Sicherheit verlangen muß. Eine tipptoppe Aufmachung übrigens, und sie steht mir prima primissima zu Gesicht und Figur. Ein schickes Affenkäppi, wie es die Tommies früher zur Ausgehuniform trugen, und ein blauer Frack mit goldener Verschnürung...«
    Mein Vater war blaß geworden, und meine Mutter starrte ihren Bruder an, als sähe sie eine gespenstische Erscheinung.
    »Im Savoy?« stammelten sie beide, »mit einem Bauchladen und im blauen Frack...? Um Gottes willen, Ferdinand, das kann doch nicht dein Ernst sein!«
    Aber Onkel Ferdinand schlug fromm die Augen auf: »Geld stinkt nicht«, sagte er sanft, »und es ist ein gutes Geschäft mit soliden Einnahmen. Außerdem aber spart man dabei seine eigenen Kleider. Mein Freund Oskar, von dem ich den Bauchladen übernehme, hat mir heute früh seine Kasse von gestern abend gezeigt. Was soll ich euch sagen? Ihr werdet es nicht für möglich halten: ein glatter Umsatz von einhundertundachtzig Emmchen! Und dazu kommen noch die Trinkgelder! Fünf schwere Steine an schlechten Tagen! Was sagt ihr nun? Oskar würde das Geschäft ja auch nie aus der Hand geben, wenn er nicht Gelegenheit hätte, sich zu verbessern. Er übernimmt nämlich am nächsten Ersten den Posten vom Toilettenmann. Ja, so etwas müßte man kriegen! Eine Existenz wie pures Gold, sage ich euch!«
    Meinem Vater war der letzte Blutstropfen aus dem Gesicht gewichen. »Das ist furchtbar«, ächzte er, »das ist nicht auszudenken! Das ist entsetzlich!«
    Onkel Ferdinand fuhr sich gerührt über die Augen: »Du machst dir wirklich unnötige Sorgen um mich, Georg«, sagte er herzlich. »Es ist eine gute und absolut sichere Sache. Und wie ‘ich dich kenne, Schwager, wirst du dem und jenem von deinen guten Bekannten und Freunden einen sanften Stoß in die Rippen geben und ihnen erzählen, wo sie eine erstklassige Zigarre bekommen können.«
    Mein Vater begann plötzlich zu lachen. Er

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