Mein Sanfter Zwilling
Bademantel eingehüllt. Ich weigerte mich, einen Bademantel zu kaufen.
– Und was ist mit Tuljas Einladung?, fragte ich.
– Ich kann meinen Flug nicht verschieben.
– Ich muss da hingehen.
– Ich sag ja nichts.
– Ich nehme Theo mit und übernachte da. Wir kommen dann Sonntag zurück.
– Er hat Sonntag sein Training.
– Ach ja. Dann versuch ich, Sonntag früh wegzukommen.
– Bist du dir sicher, dass du hinwillst?
– Mark …
– Ist ja gut, ich habe nur gefragt.
– Ich wünschte, du wärst dabei.
– Hey, das ist deine Familie, du kennst sie ja alle, sie werden dich schon nicht auffressen.
Ich hatte das Gefühl, dass er »deine Familie« sagte, aber »Ivo« meinte, dass er Angst hatte auszusprechen, was ihn belastete.
– Ich bin es nicht mehr gewohnt. Diese Feste! Und ich bin ihn nicht mehr gewohnt.
– Hey, komm her. Was ist los mit dir? Wieso beschäftigt er dich so sehr? Ich dachte, die Sache mit euch sei geklärt?
– Ich bin aufgeregt, das ist alles. Ich habe keine Lust auf Lenis Kommentare, ich habe keine Lust auf Papas Sauforgien und keine Lust auf Tuljas Geschichten von anno dazumal. Ich bin vor allem müde, glaube ich.
– Ostern, da könnten wir doch eigentlich mal zusammen wegfahren. So ein langweiliger Pauschalurlaub mit Kinderbetreuung und peinlichen Touris, so was wäre doch gut für uns.
Er begann meinen Nacken zu massieren, und schon wieder glaubte ich ihm, ich glaubte an unsere Vorstellung vom Glück. Schon immer habe ich mich gefragt, wie es sein konnte, dass Mark, das Einzelkind aus einer Familie von Akademikern, die sogar zu liberal war, um ihn als Kind zum Geigenunterricht zu zwingen, mich geheiratet hatte. Er, der im Leben alles richtig machte und das Wort »Probleme« nicht zu kennen schien, der in Heidelberg und London Geschichte und Anglistik studiert hatte und nun hochkarätige historische Dokumentarfilme produzierte, mich zur Frau haben wollte. Mark, der gut aussah, Bücher mochte, auch Literatur, die ich gerne las, der der beste Autofahrer der Welt war und seinen Sohn abgöttisch liebte, der ein besserer Vater war als ich eine Mutter – wie schaffte er es, mit mir zu leben? Mark hatte ganz im Gegensatz zu mir kein früheres oder anderes Leben; sein Leben war gradlinig verlaufen, und der einzige Makel, den man ihm vielleicht in seiner Biographie nachweisen konnte, war seine depressive Ex, mit der zusammen er ab und zu gekifft hatte. Oder vielleicht sein unbedingtes Streben nach Perfektion, sein Faible für schnelle Autos und sein penibler Umgang mit seinem Körper; aber all das hätte man mit einer banalen küchenpsychologischen Erklärung seiner Erziehung in die Schuhe schieben können. Mark war seinem Leben gewachsen, und die wenigen Male, die er mich angebrüllt und die Wohnung wütend verlassen hatte, war ich diejenige gewesen, die ihn provoziert hatte.
Ich hatte ihn nur wenige Wochen nach Ivos Abreise bei einer Fernsehsendung zum ersten Mal gesehen. Er hatte die Sendung produziert. Ein paar Leute aus unserer Redaktion waren zur Präsentation eingeladen gewesen. Es ging um einen Drogenskandal, über den ich zusammen mit einem Kollegen berichtete, ein Drogenskandal im Verwaltungsmilieu. Damals hatte ich noch für ein linkes Blatt die Recherchen gemacht, ein Fall, dessen brisante Details mir ein Informant gesteckt hatte. Bei der anschließenden Feier verhielt er sich charmant und offen, er unterhielt die Runde mit witzigen Anekdoten und goss immer wieder Wein nach. Er war ein Mann, der niemals hätte in mein Leben passen dürfen . Er flirtete mit einer seiner Kolleginnen und sah dabei immer mich an. Ich erinnere mich an seinen langanhaltenden Händedruck beim Verlassen des Gebäudes. Zuvor hatte er mir angeboten, mich nach Hause zu fahren. Ich hatte abgelehnt. Er hatte mich für meine Courage gelobt und nach meiner Telefonnummer gefragt.
Damals hatte ich eine Affäre mit einem Mann, der Schlagzeug spielte und ein ziemliches Alkoholproblem hatte; für einen Besseren hielt ich mich nicht geeignet.
– Du schaffst es schon. Ich ruf dich an, okay?, sagte Mark und fing an, an meinem Ohrläppchen zu knabbern.
– Ja, flüsterte ich und küsste sein Handgelenk.
4.
Es regnete, und Theo beklagte sich, weil er müde war und lieber mit seinen Fußballfreunden Computerspiele gespielt hätte. Ich konzentrierte mich auf die Autobahn und klammerte mich an das Lenkrad.
Seit dem frühen Morgen hatte das Telefon ununterbrochen geklingelt. Leni: Was sie anziehen solle;
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