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Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Titel: Mein Schutzengel ist ein Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.«
    Max ist das zu aufdringlich. Diese Trost-Sprüche haben alle etwas Süßliches. Außerdem stößt er sich an dem » sollen«, das klingt schon wieder so, als ob andere dafür zuständig wären. Warum sich beim Getröstetwerden gleich in die nächste Abhängigkeit begeben?
    Nach dem Gottesdienst, ein Teil der Gäste ist bereits auf dem Weg nach draußen, fällt dem Kindsvater ein, dass man ja noch ein Erinnerungsfoto bräuchte. Zunächst wird die Familie rund um den Altar versammelt: Großeltern, Taufpaten, der Pastor und irrlichternde Kinder. Die meisten der anwesenden Männer fotografieren vom Kirchenschiff aus wie auf der Jagd. Nach und nach schicken sie ihre Frauen nach vorne. Die Gruppe bläht sich immer mehr auf und besetzt Stufe um Stufe zum Altar.
    Max beobachtet das Treiben mit einem milden Lächeln von seiner Bank aus. Einzelne Fotografierunlustige werden nach vorne gerufen, bis auf einmal alle – bis auf ihn und einen letzten Fotografen – vorne stehen. Ihn ruft keiner. Sechzig gegen einen. Mit versteinerter Miene befiehlt er sich, die Blicke auszuhalten. Der Spruch auf dem Balken kommt ihm nun wie blanker Hohn vor. Die Leidtragenden werden nicht getröstet, sondern ausgesondert.
    Endlich draußen, entschuldigt er sich mit einer durchsichtigen Notlüge, nicht an dem gemeinsamen Festessen teilnehmen zu können, und flieht.
    Du kannst wohl nicht sehen, dass du nicht der Einzige bist, der sich von allen verlassen fühlt. Aber vielleicht könntest du es dir denken. Die Großmutter des Täuflings: hat sich mit ihrer Schwester zerstritten; seitdem hat sie niemanden mehr, den sie anrufen könnte. Beispielsweise.
    Rechts daneben der Taufpate: hält es kaum aus, einen ganzen Tag unter lauter Fremden zubringen zu müssen. Dem sieht man es doch wirklich an.
    Oder der vierjährige Junge: drückt sich mit tränennassen Augen an das Hosenbein seines Vaters; seine Eltern haben den Stoffmaulwurf daheim liegen lassen. – Der Junge ist der Einzige, der sich nicht zu verstellen versucht.
    Hätte es euch geholfen, wenn ihr einander erkannt hättet? Wahrscheinlich nicht.
    Die Beziehung zu anderen ist schon schwierig genug, aber die zu sich selbst scheint bei euch komplett verfahren. – Die da Leid tragen, sind allesamt nicht selig, sondern einsam.

8.
    Einerseits wünschen Menschen sich ununterbrochen Wunder, aber wehe, jemand kommt u n gefr a gt in einem vor.
    »Ich kann nicht mehr.« Max macht eine Pause. Schluckt hörbar. »Ich weiß nicht mehr weiter. Alles ist eine Qual, schon das Aufstehen. Vorhin habe ich die Schleife an den Schuhen nicht zubekommen. Das geht so nicht.«
    Dass seine Schwester ihn auf dieses Geständnis zum Arzt schicken würde, hat er bereits geahnt. Er braucht den Nachdruck in ihrer Stimme, um sich zu überwinden. Kaum hat er jedoch dessen Nummer gewählt, ist alle Unsicherheit verschwunden. Nun setzt er alles daran, bei der Sprechstundenhilfe möglichst noch am selben Tag einen Termin zu bekommen. Sein Tonfall ist jetzt nicht mehr zittrig, sondern hat die Festigkeit eines Versicherungsvertreters.
    Dem Arzt gegenüber hält er, fast wortgleich, dieselbe Ansprache wie seiner Schwester, nur ohne Tränen. Und dieses Mal liefert er den Vorschlag, wie ihm zu helfen sei, gleich mit: in dem Spezialkrankenhaus am Chiemsee. Am liebsten würde er sofort los, ohne noch einmal in seine Wohnung zurückzukehren. Der Arzt dämpft seinen Enthusiasmus. Normalerweise gebe es eine wochenlange Wartezeit. Max sieht ihn mit einem Entsetzen an, das den Mediziner alarmiert. Also verspricht er, gleich bei den Kollegen anzurufen und sein Möglichstes zu versuchen.
    Max bleibt allein in dem Sprechzimmer zurück. Vor dem Fenster landet ein Schwarm Raben in der Krone der kahlen Pappel. Rechts hinter dem Schreibtisch die Liege mit dem Abreißpapier und das Waschbecken. Durch die angelehnte Tür dringt das Lachen der Sprechstundenhilfe. Er weiß nicht, was er sich von der Klinik verspricht. Vielleicht, dass ihm etwas abgenommen wird. Die Verantwortung abgeben. Nicht mehr allein zu sein mit sich, als Kapitän auf einem Wrack, ohne Besatzung.
    Die Tür geht wieder auf. Der Arzt bleibt, das Telefon in der Hand, auf der Schwelle stehen.
    » Da haben Sie aber Glück gehabt. Zufällig ist ab morgen ein Bett frei geworden. Haben Sie jemanden, der Sie hinfährt?«
    Max nickt, als wäre das selbstverständlich.
    Auf einmal aber überzieht eine diffuse Angst seine Freude wie

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