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Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Titel: Mein Schutzengel ist ein Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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Trainer. Bis dreißig Sekunden vor Abpfiff zwei Tore hintereinander alle Hoffnungen zunichte machen. Auf einmal ist der ganze Raum voller Bandscheibenvorfälle und gestorbener Neunzigjähriger. Die Sieger reißen sich die Trikots vom Leib, während die Verlierer wie betäubt am Rand stehen. Die einen knäueln sich zusammen, während die anderen vereinzelt herumstehen. Hilflose Gesten des Trostes, Schulterklopfen werden abgewehrt mit der Empörung, mit der Jugendliche einer streichelnden Elternhand ausweichen. Das Leid ist absolut. Die Verlierer geben sich ihm vollkommen hin, zelebrieren es geradezu. Wie der Mann mit den Bandscheibenvorfällen, nur ohne Tränen. Wenn ihnen jetzt jemand zuflüstern würde: Nicht so schlimm, beim nächsten Mal gewinnt ihr wieder – dann würden sie das wahrscheinlich als Beleidigung missverstehen. Sagt jedoch der Trainer genau diesen Satz eine Stunde später, gehen alle gestärkt aus der Kabine. Trösten verlangt ganz schön viel Fingerspitzengefühl.
    Auf einmal ist der Trainer im Bild und sagt mit Grabesstimme: » Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.«
    Max muss lachen und bekommt von Tom einen grimmigen Blick zugeworfen.
    Nur ein Wimpernschlag, nur ein einziger Wimpernschlag trennt die Nacht vom Tag. Tränen und Lachen. Trostbedürftigkeit und Getröstetsein. Und dennoch liegt die jeweils andere Seite jenseits der Vorstellungskraft: Die Leidenden haben vergessen, wie sich Glück anfühlt, und die Glücklichen ahnen nichts vom Leid. Es nutzt auch nichts, ihnen das einzuflüstern. Bevor der Schmerz unerträglich wird, glauben sie es nicht, und kaum ist er abgeklungen, halten sie es für banal.
    Allmählich löst sich die allgemeine Entrüstung über das verlorene Spiel in Flucht auf. Eine Viertelstunde später ist die Kneipe beinahe leer, auch Tom verabschiedet sich. Er müsse das verlorene Spiel erst einmal verarbeiten. Aber das würde ja passen zu dem verkorksten Tag. Nur die Kellnerin scheint froh zu sein, endlich ihre Ruhe zu haben. Max fährt Richtung Toilette, bis er in dem Gang vor dem Herrenklo mit dem Rollstuhl stecken bleibt. Nicht schon wieder Hypnose, denkt er und zieht sich an einem Zigarettenautomat hoch.
    Irgendetwas stimmt nicht.
    Er steht, ohne zu schwanken. Er steht fast anstrengungslos. Er steht, ohne sich festhalten zu müssen. – Erschreckt lässt Max sich wieder fallen. Was ist geschehen, außer dass er anderthalb Stunden auf einer riesigen Leinwand Männern beim Hin- und Herrennen zugesehen hat? – Ein Fußballwunder ist geschehen.
    Vorsichtig steht er wieder auf, dieses Mal tut er sofort den ersten Schritt. Auch das funktioniert überraschend geschmeidig. Nicht dass er sich nicht abstützen müsste, aber die Beine gehen fast von alleine. Auf dem Rückweg sieht er sich auf ein Tor zulaufen und kickt übermütig in die Luft. Tor.
    War es Margot, die so eindringlich von der unendlichen Kraft der Vorstellung gesprochen hatte, die er in sich entdecken müsste? Er weiß es nicht mehr. Vielmehr fragt er sich, ob er nun jeden Samstag in einer Premiere-Sportbar verbringen sollte. Fußball, seine Rettung? Irgendwie absurd. Die damit verbundene Langeweile wäre schlimmer als der Rollstuhl. Nein, kein Fußball. Er müsste etwas finden, was ihn begeistert. Bei sich zu bleiben, das ist doch bisher immer die Lösung gewesen. Vielleicht … er ahnt es eigentlich schon. Er muss zum Ballett. Raus aus der Krankheit, rein in die Kunst!

13.
    Manche Menschen stürzen, und andere stehen wieder auf.
    Hartnäckig telefoniert Max so lange herum, bis er Hannahs Handynummer herausbekommt. Sie war während seiner Studentenzeit als Solistin im Ballett des Nationaltheaters engagiert und arbeitet, so viel er weiß, inzwischen als freie Choreografin. Zufälligerweise erreicht er sie gerade in München.
    » Du, Hannah, ich muss zum Ballett«, erklärt er ihr am Telefon.
    » Als Tänzer?«
    » Quatsch, ich muss zusehen, ganz nah dran sein. So dicht, bis die Bewegung in meinem Kopf stattfindet.«
    » Verstehe ich zwar nich. Aber ich bin ja auch nur ’ne doofe Hupfdohle. Weißte was, ich komm gleich vorbei, bin eh grad in deiner Nähe.«
    Woher weiß sie, wo er wohnt? Immer wieder ist Max überrascht, dass Menschen, die er beinahe vergessen hat, ihn wiederum keineswegs vergessen haben.
    Eine Stunde später ist sie da: ein rothaariger, sommersprossiger, von Kopf bis Fuß in Grün gekleideter Wirbelwind.
    » Mensch, du siehst aber jut aus!«, ruft sie mit in die Hüften gestemmten Händen. Als sie

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