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Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Titel: Mein Schutzengel ist ein Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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warum. Und das ärgert ihn. Sehnt er sich etwa ein Erlebnis wie in der Kapelle des Krankenhauses herbei, hier in der Betonkirche im Münchner Westend? Das würde ihm auch nicht passen, genausowenig wie der graustichige Glaubensalltag.
    Wieder auf der Straße, ist er trotz allem überrascht von einem Gefühl der Zufriedenheit, wie nach einem ausgefüllten Arbeitstag. Als hätte er etwas geleistet. Er kann es sich nicht erklären. Kurzentschlossen fährt er in den kleinen Park hinter der Bavaria. Alle Passanten strahlt er an, und diese lächeln zurück. Eine alte Frau auf einer Bank hebt sogar grüßend die Hand.
    Ein Jugendlicher überholt ihn mit einem Mountainbike. Wenige Meter weiter hält er mit einer Vollbremsung. Er ist vielleicht vierzehn Jahre alt, dunkelhäutig. Das blau-weiße Fußballertrikot schlackert um seinen Körper, die Haare sind kurz geschoren. Er schiebt das Fahrrad bis zum Steinsockel eines Denkmals und lehnt es dagegen: darauf eine aus Gusseisen gestaltete Hirschkuh in Originalgröße. Der Junge berührt sie kurz mit der Hand an einem Huf. Dann bückt er sich, hebt ein Blatt auf und legt es auf die Steinplatte unter ihrem Bauch.
    Max fährt weiter, doch nach zehn Metern dreht er sich noch einmal um. Der Junge steht hinter der Hirschkuh und drückt mit geschlossenen Augen seine Stirn gegen ihren Hinterlauf.
    Das hättest du nicht sehen dürfen. Diese Geste ist nicht für dich bestimmt gewesen. Manchmal muss einer von meinem Schlag sich eben ausruhen für einige Augenblicke. – Wie gut, dass du die Situation nicht erfasst hast. Man kann dir deine Blindheit nicht vorwerfen. In den meisten Fällen ist sie ja auch ganz hilfreich. Würdest du dich jetzt noch einmal umdrehen, wäre der Junge mit dem Mountainbike verschwunden. Als hätte er sich in Luft aufgelöst. Dann hätte ich ein Problem mehr. Gerade bei einem suchenden Skeptiker wie dir. Aber ich kann ganz unbesorgt sein. In Gedanken bist du immer noch bei dem sonderbar juckenden Unbehagen mit der Kirche.

11.
    Zu viel gute Erziehu n g schadet der Gesundheit.
    Max kennt Vera nur so, wie sie jetzt ist. Sie hingegen behauptet, noch vor ein paar Jahren eine ganz andere gewesen zu sein. Da stagnierte ihre Laufbahn als Bibliothekarin, mit ihrem Sohn gab es Ärger … sie wusste nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Da empfahl eine Freundin Margot. Die Schweizerin behandelt einmal monatlich im Chiemgau. Mit ihr bespricht Vera seitdem alle wichtigen Entscheidungen.
    Als sie jedoch das Wort » Energiearbeit« in den Mund nimmt, bereut Max seine Frage, ob sie ihn einmal mitnehmen würde. Doch dann sagt er sich, dass sein Zustand solche Empfindlichkeiten nicht erlaubt.
    An einem milden Wintertag fahren sie mit Veras röhrendem VW -Bus los. Kaum sind sie auf der Autobahn, überfällt beide eine ungestüme Freude, so als brächen sie zu einem Italien-Urlaub auf. Ein Versprechen liegt in der Luft, nach etwas Großem, einem wilden Sommerabenteuer. Doch in seine Aufregung ist auch Angst gemischt. Erst nach der Abfahrt nämlich hat Vera ihn darüber aufgeklärt, dass Margot mit Hypnose arbeitet. Aber sie gehe sehr verantwortlich damit um. Und außerdem könne er die Behandlung jederzeit abbrechen. Plötzlich hat Max Schiss vor der eigenen Courage.
    » Die Heilung muss ganz tief innen beginnen, da kommst du nur mit Hypnose ran«, behauptet Vera.
    Solange sie nicht an mir herumfummelt, werde ich mich darauf einlassen, beschließt er. Aber noch eine Untersuchung wie in der Klinik würde er nicht ertragen.
    » Hauptsache, Margot behält ihre Hände bei sich«, erklärt er großspurig.
    Vera kichert wie auf dem Pausenhof.
    Die Hypnotiseurin entpuppt sich als äußerst harmlos: statt buschiger Augenbrauen schwarze Locken, Sopran statt Bass. Und ihr Kabinett ist nur ein mit bunten Schals aufgehübschter Hobbykeller.
    Wie die Krankenhauspsychologin lässt sie ihn erst einmal reden. Den Einleitungsteil mit seinem Krankheitsverlauf spult er in Rekordtempo herunter. Sie kommentiert das nur mit ein paar Sätzen. Zwei von ihnen verheddern sich sofort in ihm. Die wird er wohl so schnell nicht wieder loswerden, obwohl er sie nicht versteht. Zunächst lehnt er sich gegen ihre Banalität auf. Und spürt gleichzeitig, dass dahinter mehr steckt als der Ärger, für solche Erkenntnisse zweihundert Euro zu zahlen.
    » Gesundsein ist normal«, sagt Margot. Und wenig später: » Du musst nicht anders sein.«
    Unterstellt sie ihm etwa, nicht gesund werden zu wollen? Woher nimmt sie

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