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Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Titel: Mein Schutzengel ist ein Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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das? Sieht man ihm so etwas an? Max wird rot.
    Bevor er mit Rechtfertigungen beginnen kann, fordert sie ihn auf, sich auf die Liege zu legen. Irgendwo hinter seinem Kopf drückt sie auf den Anschaltknopf der Stereoanlage. Sanft säuselt und plätschert es. Selbst Sylvia würde so etwas nur abfällig als Eso-Mucke bezeichnen.
    An das, was Margot während der Hypnose sagt, wird er sich später nicht genau erinnern. Nicht weil er ins Koma fällt, sondern weil sie eher belanglose Worte benutzt. Die Beruhigungsfloskeln einer Mutter an der Wiege, übersetzt für einen skeptischen Erwachsenen. Sicher ist er sich danach nur, dass er auf einmal angefangen hat zu weinen. Die Tränen liefen ihm aus den Augen, als hätte er sein Leben lang darauf gewartet, endlich hypnotisiert zu werden.
    Anschließend entlässt sie ihn ohne jede Verhaltensmaßregel oder sonstige Anweisungen. Max ist ein wenig enttäuscht; in diesem Zustand der Aufgelöstheit hätte er sogar ein Verbot angenommen. Stattdessen bittet sie Vera hinein und entlässt ihn in den Garten.
    Während Veras Stunde sitzt Max in der Nachmittagssonne auf einer Bank vor dem Haus. Vor sich die Berge und ein südlich leuchtender Himmel. Zunächst denkt er über » Gesundsein ist normal« und » Du musst nicht anders sein« nach. Irgendetwas taut in ihm. Oder ist es nur der Schnee auf den Gipfeln? Schon ein paarmal hat er während der letzten Jahre darüber nachgedacht, ob er sich aus Lebenslangeweile an seine Krankheit klammern würde. Hat sie das gemeint?
    Die Aufmerksamkeit auf sich gerichtet zu halten, fällt ihm schwer. Bald schon schweift er ab und ist wieder bei den Vorbereitungen zu seinem Rom-Roman.
    Margot hat vorgeschlagen, die nächste Sitzung telefonisch abzuhalten. Das hätte sich bewährt. Bevor Max sie anruft, zieht er vorsichtshalber die Vorhänge zu und schaltet, wie sie ihm aufgetragen hat, die Wohnungsklingel ab. Schließlich legt er sich auf das Sofa im Wohnzimmer.
    Das Vorgespräch ist kurz und verstörend. Anscheinend hat Margot die Karteikarten verwechselt. Eingehend erkundigt sie sich, was seine nicht existierende Freundin zu seinen Fortschritten sagen würde. Um sie nicht zu brüskieren, tut Max so, als ob Vera seine Freundin wäre. Immerhin hat sie bei der Rückfahrt die ersten positiven Auswirkungen an ihm wahrgenommen. Um seine Augen sei angeblich ein ganz neuer Zug gewesen: etwas Entspanntes, beinahe Gelöstes. – Margot ist zufrieden.
    Von ihr aus könnten sie loslegen. Max klemmt das Telefon zwischen Backe und Schulter und schließt die Augen. Die Einleitungssätze kommen ihm bekannt vor, wie ein Schlummerlied. Ein Gefühl von Müdigkeit erfasst ihn.
    Eine gute Viertelstunde mag vergangen sein, als seine Blase ihn an die Oberfläche reißt mit dem Befehl, sich unverzüglich auf die Toilette zu begeben. Sie duldet keine Ausflüchte. Was tun? Die Behandlung unterbrechen und Margot damit signalisieren, er wäre gar nicht in Hypnose? Das bringt er nicht über sich. Lieber beschämt er sich selbst als sie. Und so ergibt er sich in das Unvermeidliche … Dabei atmet er ruhig und achtsam in den Hörer, wie ein Mensch, der gerade das Tor zur Heilung aufstößt.
    Kranksein ist definitiv nicht normal.
    Nach dem Gespräch lässt er die Hand mit dem Telefon sinken. Margot hat er versprochen, sich wegen des nächsten Termins zu melden … Er wird es nicht tun, das steht fest.
    Grimmig schweigt er in sich hinein, bis ein Lachanfall ihn in die Welt zurückschüttelt. Laut dichtet er in die Stille des Vormittags:
    » Nach Hypnose
    Nasse Hose.«
    Du meinst wohl, alles wäre ein Spiel, bei dem man nach Lust und Laune einsteigen und wieder aufhören kann. Hier zugreifen und dort, ganz nach Belieben. Das allein wäre nicht weiter schlimm. Schwerer wiegt, dass du dich treiben lässt, ohne etwas zu wollen. Dich irgendwie durch den Tag zu schummeln, reicht dir vollauf. Wenn du dich bisher zu etwas aufgerafft hat, so ist es höchstens um eine weitere Anekdote gegangen. Alle Bemühungen von anderen, dich auf deinen Körper aufmerksam zu machen, hast du nicht einmal wahrgenommen. Von der nassen Hose hast du dich so ablenken lassen, dass du Margot gleich mit entsorgst.
    Doch je weiter du dich von deinem Körper entfernst, desto stärker musst du dich an diese Krankheit klammern. Sie ist die einzige Verbindung zu ihm.

12.
    Fußballer weinen nicht, selbst wenn ihnen danach ist - diese Memmen!
    Eigentlich wollte der beleibte Mann mit der dunkelroten Gesichtsfarbe gerade

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