Mein schwacher Wille geschehe
schlechtem Gewissen. Italo Svevos Romantitel gibt diese Doppeldeutigkeit ausdrücklich wieder. In der deutschen Übersetzung heißt es sowohl »Zenos Bewusstsein« wie »Zenos Gewissen«. Es ist der tragikomische Bericht über einen, der nicht daran glauben mag, sein Leben aktiv beeinflussen zu können. Mit klarem Verstand manövriert sich Zeno durch die aberwitzigsten Situationen und hofft auf die gestaltende Kraft des Schicksals. Der Kampf gegen die Nikotinsucht ist hier eine Metapher des Versagens vor den Anforderungen eines maßvollen Lebens.
In solche Kämpfe ist jeder Raucher dauerhaft verstrickt. Noch der überzeugteste Genussraucher hat sich wiederholt die Frage gestellt, ob er es nicht besser ließe. Zeno Cosini befasst sich allerdings kaum mit den gesundheitlichen Folgen – wohlwissend um |40| ihre Existenz. Sein lebenslanger Bewusstseinskampf überragte die Fragen nach den gesundheitlichen Begleiterscheinungen. Das Aufhörenwollen wird nichtsdestotrotz zum grotesken Zwang, für den Zeno Cosini immer neue Strategien entwickelt. Als Zwangsneurotiker im fortgeschrittenen Stadium verbindet er seine Vorsätze mit einer inneren Zahlenmystik, von der Erfolg und Misserfolg seiner Lossagungen abhängen. »Als ich Student war, wechselte ich einmal die Wohnung und musste die Wände des Zimmers, das ich verließ, neu tapezieren lassen, weil ich sie über und über mit Daten bedeckt hatte. Ich verließ das Zimmer wie einen Friedhof meiner guten Vorsätze. Ich hatte sie alle dort begraben und hielt es nicht mehr für möglich, an demselben Ort noch einmal neue zu schmieden.«
In der Floskel vom guten Vorsatz scheint der Wechsel vom Fremdzwang zum Selbstzwang geradezu feierlich anerkannt, doch der Sprecher kokettiert bereits mit dessen Scheitern. Wer gute Vorsätze verkündet, stellt bereits in Aussicht, dass nichts daraus werden könnte. In der etwas geschwollen daherkommenden Rede ist bereits die Harmlosigkeit des Unterfangens zu erkennen. Man will es tun, womöglich aber auch lassen. Es ist gewiss kein Zufall, dass zum endlich gefassten Entschluss der Jahreswechsel gewählt wird. Im neuen Jahr wird alles besser. Man positioniert sich zur Zeitrechnung und verleiht so seinem Neuentwurf ein besonderes Gewicht. So wie die Pausenzigarette einen flüchtigen Ausstieg aus dem schnöden Vergehen der Zeit verspricht, so erhofft man sich vom Verzicht zum neuen Jahr eine besondere Abrundung des Unterfangens. Hinzukommt, dass man sich den Zeitpunkt zur späteren Bilanz von Abstinenzleistungen gut merken kann. Im Falle des Scheiterns rückt es den nächsten Versuch in angenehm weite Ferne. Das Laster wird dadurch zugleich veredelt und trivialisiert. Zeno Cosini, der ein geradezu besessener Sammler von Aufhörstrategien ist, entweiht das immer wieder gegebene Versprechen, indem er es mit der Illusion |41| von Geschmack verknüpft und bewahrt sich so die vielleicht auch beruhigende Aussicht auf künftiges Scheitern: »Ich bin überzeugt, dass die Zigarette anders und besser schmeckt, wenn sie die letzte sein soll.« Folglich raucht er in seinem Leben lauter letzte Zigaretten und gelangt von einer Zigarette zu einem guten Vorsatz und von einem guten Vorsatz zu einer Zigarette. So dreht sich der Zirkel des Lasters. Aber es ist ein kulturelles Spiel, denn anders als bei einer zerstörerischen Sucht attestiert man dem Rauchen, eine noch zu behebende Malaise zu sein. Der Schaden, so die stets mitschwingende Hoffnung, ist nicht irreversibel. Während Alkoholabhängigkeit immer auch im Ton einer gewissen Tragik gesprochen wird, hat der Raucher Aussicht auf Umkehr. Dem Trinker droht sozialer Ausschluss, der Raucher muss bloß raus auf den Balkon.
Ist das Aufhören denn tatsächlich so schwierig? Der reichlich zur Verfügung stehenden Ratgeberliteratur ist zumindest daran gelegen, es einfach erscheinen zu lassen. Selbst der Verzicht muss mittlerweile eine besonders gut konsumierbare Ware sein. Zur Frage, wie man dem Laster des Rauchens beikommen kann, bietet der Anti-Raucher-Guru Allen Carr, vor einiger Zeit selbst an Lungenkrebs gestorben, denn auch weniger eine Methode als eine Haltung an. Er schlägt vor, den Rauch mit Verachtung und Wissen abzuschirmen. Die einzige Disziplinleistung, die man erbringen muss, besteht darin, zu Lebzeiten Carrs Kursen, und gegebenenfalls im Fernstudium seinen Büchern, von Anfang an gewissenhaft zu folgen. Zur Anfeuerung und Bekräftigung dieser Disziplin wird er auch schon einmal streng. »Alles, was Sie
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